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Das dunkle Haus: Kriminalroman (Ein Erik-Winter-Krimi) (German Edition)

Das dunkle Haus: Kriminalroman (Ein Erik-Winter-Krimi) (German Edition)

Titel: Das dunkle Haus: Kriminalroman (Ein Erik-Winter-Krimi) (German Edition)
Autoren: Åke Edwardson
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    Er hatte angefangen, die Steine in Paseon zu zählen, in der vergangenen Woche oder irgendwann vor Weihnachten. Eins, zwei, drei, vier, fünf, zwanzig, hundert, die Steine wirkten größer, wenn die Sonne auf der anderen Seite hinter Marokko ins Meer tauchte, wenn sich die Schatten vor ihm auf die Strandpromenade senkten, bis hin zu den Wellenbrechern im Osten. Er zählte wieder Steine.
    Es war Zeit, nach Hause zurückzukehren.
    Wald und Wüste fließen ineinander. Er trägt immer noch das Gewehr, dasselbe Gewehr, ein Husqvarna, mit dem er zwanzig wilde Tiere getötet hat, hundert. Jetzt geht er durch eine Stadt. Es ist seine Stadt. Hier ist er zu Hause. Hier ist er Jäger, der beste Jäger überhaupt. Ich habe es vermisst, sagt er zu einem Mann, dem er vor dem Einkaufszentrum Nordstan begegnet. Der Mann trägt eine Lederjacke, Mütze, Fäustlinge, derbe Schuhe. Demnach ist es Winter. Der Mann deutet mit dem Kopf auf das Gewehr an seiner Schulter. Er zielt auf niemanden, hält das Gewehr nur vor sich, während er durch die Straßen geht. »Schön, dass du wieder hier bist!«, ruft der Mann. »Waidmannsheil. Hier gibt es reichlich Bestien!« Er hört Schreie aus dem Abgrund, vor sich, hinter sich, rechts und links von sich. Himmel, wie habe ich das alles vermisst. Er schreit selber, die ganze Zeit schreit er, bis Angela ihn schüttelte und zurück in die Wirklichkeit holte.
    Es war noch nicht Winter. Hier würde es nie Winter werden, deshalb waren sie ja hier.
    »Der Januar ist wirklich der perfekte Monat, um nach Göteborg zurückzukehren«, sagte sie. »Super Wetter.«
    »Ich weiß«, sagte er. »Deshalb will ich auch bis Februar warten.«
    »Dasselbe Mistwetter.« Sie lächelte nicht. Es war kein Scherz mehr, wenn es überhaupt jemals ein Scherz gewesen war.
    »Ziehen dich deine Alpträume zurück?«
    »Ja.«
    »Du musst mit jemandem darüber sprechen, Erik.«
    »Ich spreche doch mit dir.«
    »Manchmal bist du wie ein kleiner bockiger Junge.«
    »Wir tragen jedes Alter mit uns herum«, sagte er.
    »Aber wir sollten nicht jedes Alter zeigen.«
    »Jetzt sind wir schon zwei Jahre hier, Angela. Ich … ich weiß nicht …«
    »Lass uns bis zum Sommer warten. War das nicht der Sinn? Nicht ausgerechnet im Januar nach Göteborg zurückzugehen?«
    »Februar.«
    » Cojones , Erik!«
    »Du bist in deinem Element, wenn du auf Spanisch fluchst.«
    »Genau. Wir reden über den eigentlichen Sinn.«
    » Cojones «, sagte er.
    »Lilly hat kürzlich gefragt, was das bedeutet. Sie hat auch gefragt, was conjo bedeutet.«
    »Was hast du geantwortet?«
    »Die Wahrheit.«
    »Ihr Ärzte seid auch kein bisschen diskret.«
    »Wir haben zu viel gesehen«, sagte sie. »Und du hast auch genug gesehen.«
    »Ich weiß, Angela. Es ist nur … ich kann nicht mehr ohne sein. Es ist kein Gift. Es ist etwas anderes.«
    »Herr im Himmel.«
    »In Bergen ist es noch schlimmer. Bergen ist im Winter die schlimmste Stadt der Welt.«
    »Wie sind wir denn jetzt dort gelandet?«
    »Eine Reise in der Phantasie.«
    »Soll ich etwa froh sein, nicht in der Phantasie nach Bergen reisen zu müssen? Ich soll froh sein, dass wir nur in das zweitschlimmste Winterwetter der Welt fahren?«
    »Verdammt conjo -froh«, sagte er.
    Sie saßen auf dem Balkon. Es war spät. Die Kinder waren eingeschlafen, Elsa gerade eben, Lilly schon vor mehreren Stunden. Das Brausen der alten Stadt hörten sie nicht mehr. Winter hörte es auch nicht. Teil ihres neuen Lebens war es, Teil der spanischen Stadt zu werden. Warum zum Teufel wollte er zurück in das alte Leben im Norden, zu dem alten Tod im Norden?
    »Ich bin noch zu jung«, sagte er. »Zu jung, um in Pension zu gehen. Weißt du, dass ich einmal der jüngste Kriminalkommissar in Schweden war?«
    »Ich glaube, das habe ich irgendwann mal gelesen.«
    Er hob das Weinglas und trank einen Schluck. Der Wein schmeckte nach Eisen und Blut. Es war eine der billigeren lokalen Marken und trotzdem besser als die Weine im Norden. In Andalusien war die Erde rot.
    »Möchtest du als Schwedens ältester Kriminalkommissar enden?«, fragte sie.
    »Das weiß ich nicht. Das glaube ich nicht.«
    »Heute ist es gefährlicher als früher, als du jung warst«, sagte sie.
    »Ich bin immer noch jung.«
    »Göteborg hat inzwischen eine Kriminalität von Weltklasse. So war das nicht, als du noch grün warst.«
    Er schwieg. Sie hatte recht. Trotzdem war er in seinem sogenannten Beruf dem Tod in den vergangenen fünfzehn Jahren mehrere Male nah gewesen.
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