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Anschlag auf den Silberpfeil

Anschlag auf den Silberpfeil

Titel: Anschlag auf den Silberpfeil
Autoren: Stefan Wolf
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hatte. Sie schleppte
ihre Fotoausrüstung und zusätzlich ein Fernglas. Sie hoffte, in der Scheune
irgendwas Tolles zu entdecken: Fledermäuse, einen schlafenden Fuchs oder
wenigstens eine Igelfamilie.
    Sie wurde enttäuscht.
    Dann, als sie zufällig zum Tunnel
hinüber sah, bemerkte sie Erich.
    Das war noch kein Grund, den Atem
anzuhalten. Aber sie fragte sich, was er dort trieb. Sie beobachtete, wie er
sein Moped versteckte, in den Tunnel lief, zurückkam, den Hang hinaufstieg und
— jetzt stockte ihr Atem — den ersten Felsbrocken bewegte.
    Während er schwerschuftend im Tunnel
verschwand, schraubte sie in fieberhafter Eile ihr längstes Teleobjektiv auf
die Kamera.
    Ihr war klar, was der Bengel dort tat.
Aber nicht für eine Sekunde kam ihr in den Sinn, ihn daran zu hindern.
    Indem sie das Objektiv auf einen Balken
stützte, äugte sie durch den Sucher. Scharfeinstellung. Blende. Belichtung.
    Das Teleobjektiv holte Erich heran, als
wäre er 20 Meter entfernt.
    Sie schoß zwei Dutzend Fotos. Als er
sich oben am Berg versteckte, wechselte sie den Film aus.
    Sie wählte einen lichtempfindlichen. Es
war zwar noch hell genug über der Landschaft. Aber vielleicht ließ der Zug auf
sich warten; und inzwischen brach die Dämmerung an. Ein Jammer wäre das, denn
sie brauchte scharfe Fotos — gestochen scharfe, von dem was passieren mußte.
Mit dem lichtempfindlichen Film würde das gelingen. Falls es nicht stockfinster
wurde.
    Mache ich mich damit zu seiner
Komplicin?
    Für eine Sekunde huschte der Gedanke
durch ihren Kopf — nur für eine Sekunde.

5. Entgleist
     
    Der Frau Pfab werde ich vorschlagen,
dachte Tim, daß wir Nitschls Onkel — diesen Franz Hauke in seinem
Tabakwarenladen — morgen auf suchen. Nicht heute. Dann habe ich noch genug Zeit
in der Stadt, um bei Gaby vorbeizuschauen.
    Offenbar lächelte er bei dem Gedanken.
    Denn Christine sagte: „Sieh dir Tim an,
Barbara. Er denkt an was Schönes.“
    „Das kann nur seine Freundin sein“,
lachte das Mädchen. „Wissen Sie, Frau Pfab: Tim und Gaby sind das eiserne
Pärchen. Die sind bestimmt noch zusammen, wenn’s ins Abitur geht.“
    „Eine Jugendliebe. Wie nett.“
    Tim sagte: „Sie gestatten, daß ich
nichts dazu sage. Es ist mir zu wichtig. Im übrigen hast du recht, Barbara. Ich
dachte wirklich an Pfote. So“, fügte er für Christine erklärend hinzu, „wird
Gaby mit Spitznamen genannt.“
    „Aber ich nehme doch an, daß deine
Freundin zarte Hände hat“, neckte sie ihn.
    „Sie ist entzückend, vom Scheitel bis
zur Ferse. Und hat einen tollen Charakter. Achtung! Gleich wird’s dunkel. Wir
nähern uns dem Teufelstunnel.“
    „Klingt ja schaurig“, meinte Christine,
„wie der Eingang zur Hölle. Ha... Hatschi!“
    Barbara lachte. „So schlimm wird es
nicht werden. Ich bin schon ein paar hundert mal durchgefahren. Habe nie einen
Teufel bemerkt.“
    Der Triebwagen fuhr flott.
Selbstverständlich konnte er sich nicht mit dem Silberpfeil vergleichen. Aber
kein Reisender kam auf die Idee, während der Fahrt auszusteigen und Blümchen zu
pflücken.
    Kurz vor dem Tunnel quäkte das
Signalhorn.
    Tim wußte nicht, ob aus Versehen, oder
ob der Triebwagenlenker einer Vorschrift genügte.
    Er sah hinaus — über die Felder zur
Landstraße, wo ein rotes Auto parkte. Im selben Moment zuckte bei der
Feldscheune ein Blitz auf. Nein, kein Blitz. Ein Sonnenstrahl — einer der
letzten — hatte einen Spiegel getroffen. Oder Glas oder blankes Metall.
    Der Nahverkehrszug fuhr in den Tunnel.
    „Mir wäre es angenehm, Frau Pfab“,
sagte Tim, „wenn wir vielleicht...“
    Weiter kam er nicht.
    Eine Riesenfaust schien den Zug zu
packen. Ein Ruck, als werde er auseinandergerissen, lief durch Boden und Wände.
    Tim wurde nach vorn geschleudert — auf
die gegenüberliegende Bank. Er prallte auf einen leeren Platz.
Geistesgegenwärtig krümmte er sich zur Judorolle zusammen, während ihn sein
eigener Schwung über die Lehne schleuderte. Er landete auf dem Boden, fing sich
ab, stieß aber gegen die Beine eines Mannes.
    Krachend barst Metall. Das war vorn.
Stahl wimmerte. Scheiben klirrten. Der Wagen neigte sich zur Seite, nach links,
stürzte aber nicht um. Die Dachkante stieß an die Tunnelwand. Blech kreischte und
schrammte. In der Dunkelheit stoben Funken. Drähte, unter Strom stehend,
flimmerten, gaben knatternde Geräusche von sich, als brenne ein
Feuerwerkskörper ab.
    Dann — nach zwei, drei Sekunden des
Schocks — schrien Stimmen durcheinander.
    Es
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