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Treffpunkt Irgendwo

Titel: Treffpunkt Irgendwo
Autoren: Thomas Fuchs
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Kapitel 1
    D u, Jana, da hat jemand deinen Klingelton!« Mia stupste mich in die Seite. »Hör doch mal!«
    »Stimmt!« Nun bemerkte ich es auch. Von irgendwo weiter vorne im S-Bahn-Waggon war die Titelmelodie von »Drei Haselnüsse für Aschenbrödel« zu hören. Genauso wie bei meinem Klingelton auch auf dem Klavier gespielt. Wir waren auf dem Weg ins Brunnen70, einem neuen, total angesagten Club im Wedding.
    »Das ist mein Klingelton!« Ich war mir plötzlich ganz sicher, genau mein Verspielen zu hören. C anstatt F. »Wie, aber, ich… ist doch…« Meine Hand tastete sich im Gedränge der vollen S-Bahn an das Außenfach meiner schwarzen Handtasche.
    »Mein Handy ist weg! Jemand hat mein Handy gestohlen! Hey!« Ich fasste es nicht, das da vorne musste derjenige sein, der mir gerade eben mein neues Smartphone aus der Handtasche geklaut hatte.
    Mein Weihnachtsgeschenk.
    Die S-Bahn war voll mit schwitzenden, stinkenden Menschen. Samstagabend. Nur unwillig ließen sie mich vorbei, es kam mir fast so vor, als würden sie sich mir mit Absicht in den Weg stellen. Ich quetschte mich zwischen den dampfenden Wintermänteln und Daunenjacken durch.
    »Jana! Warte!« Meine Freundinnen Mia und Louisa versuchten, mir zu folgen. Doch ich war schneller. Noch während die S-Bahn in den Bahnhof Oranienburger Straße einfuhr, hatte ich mich bis zum vorderen Teil das Waggons durchgekämpft. An der Tür stand ein Punk mit einem kurzen blonden Irokesenschnitt. Für eine Sekunde trafen sich unsere Blicke. Seine Augen verrieten ihn. Er war der Dieb. Ich war mir hundertprozentig sicher, genau dieser Kerl hatte sich vorhin bei mir und meinen Freundinnen vorbeigedrängelt. Ich hatte ihn nicht beachtet, Punks aller Art gab es unzählige in Berlin. Die Türen öffneten sich. Der Punk hechtete auf den Bahnsteig.
    »Halt! Warte!«, rief ich und schob mich ebenfalls hinaus. Der Kerl rannte in einem Affentempo in Richtung Seitenausgang. Ich hinterher. Dass ich mit dieser Aktion Mia und Louisa aus den Augen verlieren könnte, war mir in diesem Moment egal. Das Schwein hatte mein Handy. Ebenso wenig dachte ich daran, was ich mache würde, wenn ich den Kerl erwischen würde. Der Punk war sicher einen Kopf größer als ich.
    Ich stolperte die Treppen hinauf und fand mich in einer Nebenstraße irgendwo in Berlin-Mitte wieder. Keine Ahnung, wie die Straße hieß und wo genau sie hinführte. Ich war nicht oft in diesem Teil Berlins. Ich wohnte in Marienfelde. Da stand zwar auch Berlin drauf, aber in Wahrheit war es eher eine eigene Kleinstadt. Den Bezirk Mitte kannte ich natürlich aus Stadtführungen mit Verwandten oder wenn ich mit meiner Mutter mal shoppen ging. Alte Schönhauser Straße, Hackesche Höfe und so. Ein paarmal war ich auch schon allein mit meinen Freundinnen hier gewesen, doch normalerweise gingen wir eher zum Ku’damm oder in die Schlossstraße in Steglitz. Im Prenzlauer Berg fand ich mich inzwischen zudem rund um die Schönhauser Allee einigermaßen zurecht, weil da oft die Clubs waren, in die wir gingen. Aber das noch nicht so lange, eigentlich erst seit letztem Sommer.
    Es schneite noch immer, die Gehwege waren hier genauso schlecht geräumt wie bei uns. War in Berlin eben so. Mit Schnee kam die Stadt nicht klar. War Berlin auch irgendwie nicht gemacht für. Schnee gehörte in die Berge.
    Der Punk schlitterte vor mir den Gehweg entlang. Da meine neuen Chucks eine griffige Sohle hatten, holte ich auf. An der nächsten Straßenecke hätte ich ihn fast verloren. Doch dann sah ich ihn gerade noch in einer Einfahrt verschwinden. Mein Herz klopfte bis zum Hals, dennoch folgte ich ihm in den Hinterhof. Eine Durchfahrt führte in einen zweiten Innenhof. Die Häuser waren frisch renoviert, ich passierte ein kleines Café. Dann erneut ein Durchgang, gleich würde ich ihn einholen, das langjährige Basketballtraining zahlte sich endlich einmal aus.
    Das kalte blaue Licht am Ende des Durchgangs war mir zwar schon aufgefallen, dennoch zuckte ich erschrocken zusammen, als ich aus der Toreinfahrt heraus auf eine weitere Straße stolperte und plötzlich inmitten von Polizisten stand. Sie waren links von mir, rechts von mir, und ehe ich mich versah, standen sie auch hinter mir und riegelten die Einfahrt ab, aus der ich soeben gekommen war.
    Die Polizisten trugen einheitliche olivgrüne Kampfanzüge, Schilder, bizarre Helme mit Visieren und Schlagstöcke. Mir stockte der Atem. Wo bin ich, was machen die hier und wie komme ich hier wieder
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