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0894 - Seelenbrand

0894 - Seelenbrand

Titel: 0894 - Seelenbrand
Autoren: Adrian Doyle
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Prolog
    Vergangenheit
    1741, nahe London
    Der hünenhafte, vierschrötige Schmied beförderte die nur angelehnte Tür des Anbaus, in dem sich seine Werkstatt befand, mit einem wuchtigen Stiefeltritt nach innen. Fast in derselben Bewegung streckte er den Arm ins Innere, an dem eine Öllampe baumelte, gehalten von etwas Narbenübersätem, das mehr Pranke denn Hand war.
    »Hab ich euch, verdammte Biester! Heut Nacht geht's euch an den Kragen!«
    Er polterte ins Innere, die Lampe in der einen Hand, eine spitze Eisenstange in der anderen. Die Eisenstange hatte er sich eigens für diesen Auftritt geschmiedet. Mit ihr konnte er sowohl zustechen - diese Brut aufspießen -, als auch auf sie eindreschen, ihre kleinen Knochen, ihr Rückgrat und ihre Schädel zermalmen!
    Barnabas hatte es lange genug mit angesehen, wie sie überall ihre kirschgroßen Fäkalien hinterließen, Werkzeug verschleppten oder unbrauchbar machten und wie ihre verwesenden Leiber sogar das Brunnenwasser mit steter Regelmäßigkeit vergifteten. Nein, damit war ein für alle Mal Schluss! Diejenigen, die er heute Nacht nicht erwischte, würde er morgen, übermorgen oder tags darauf erledigen. Er hatte Zeit. Er hatte Ausdauer. Er würde kein einziges dieser verdammten Biester davonkommen lassen, und wenn er ein Nest mit frisch geschlüpfter Brut fand, würde er sie unter seinen Stiefelsohlen zerstampfen!
    So vehement wie er die Tür aufgestoßen hatte, schloss und verrammelte er sie auch wieder. Er dichtete sogar die Ritzen mit bereitliegenden Lumpen ab.
    Die Lampe hatte er auf dem Boden abgestellt. Ihr Licht flackerte, manchmal zischte es, als wäre eine Fliege in den Bannkreis der Dochtflamme geraten und verbrannt. Barnabas achtete nicht darauf. Er hatte nur Augen für die teils katzengroßen Plagen, die um ihn herumflitzten. Einige kauerten seit seinem Eintreten reglos auf irgendwelchen Erhebungen. In ihren Pupillen glitzerte es fiebrig. Als Barnabas bemerkte, wie sie furchtlos, ja beinahe lüstern zu ihm starrten, überkam ihn erstmals der Anflug einer Gänsehaut.
    Doch dann breitete sich grimmige Mordlust über seine Züge.
    Langsam richtete er sich auf, stopfte den Lappen, den er gerade in eine Fuge gedrückt hatte, noch etwas fester in die Lücke… und wandte sich seinen Opfern zu.
    »Verreckt!«, knirschte er, holte aus und pflanzte einen der Nager, die am furchtlosesten waren, mit der Spitze seines Spießes auf. Quiekend zappelte das sterbende Biest an der Stange und verteilte sein Blut darüber. Es sprudelte in solchen Strömen aus ihm heraus, dass es kurz darauf über Barnabas' Hand und Unterarm lief. Es stank fürchterlich, und dort, wo er damit in Berührung kam, wurde es heiß wie auf einer Herdplatte.
    Barnabas stöhnte unterdrückt auf. Seine Haut warf Blasen. Fast hätte er die Stange fallen lassen. Aber letztlich brachte ihn das Geschehen, das er nicht verstand, nur noch mehr in Rage. Er hatte sich in seinem ganzen Leben noch vor nichts und niemandem gefürchtet, und damit wollte er auch jetzt nicht anfangen. Dass das Rattenblut solche Eigenschaften hatte, kam ihm widernatürlich vor, aber beschäftigen wollte er sich damit nach dem Gemetzel, das ja gerade erst angefangen hatte.
    Nur vorsichtiger wollte er zu Werke gehen, dem Blut der Nager möglichst aus dem Wege gehen.
    Das Brennen ließ auch schon nach. Barnabas Bale lachte heiser auf, wischte sich mit dem unversehrten Unterarm den Schweiß vom Gesicht und drosch dann auf alles, was auch nur entfernt nach einem dieser vierbeinigen Tierchen aussah.
    Die Geräusche, die das Eisen verursachte, wenn es die Leiber der immer noch vielfach stoisch dasitzenden Biester zerplatzen ließ und ihre Gedärme verstreute, befriedigten ihn zutiefst und trösteten über den gerade selbst erlittenen Schmerz hinweg.
    Doch es war seltsam: Jeder Schlag, jeder Treffer, mit dem er eine weitere Ratte niedermachte, erschöpfte ihn in einer Weise, die ihm irgendwann bewusst wurde - weil es völlig ungewöhnlich war. Barnabas sah nicht nur aus wie die Gestalt gewordene Kraft, er strotzte tatsächlich vor selbiger, und wenn er tagsüber das Schmiedefeuer schürte, den schweren Hammer auf Eisen und Amboss prallen ließ, ermüdete er nicht einmal annähernd so schnell und so stark, wie es hier der Fall war, obwohl seine Arbeit um vieles härter war als das, was ihm dieses Massaker hätte abverlangen sollen.
    Ja, seltsam, mehr als das , dachte er und hielt inne, um sich anzusehen, wie viele der Nager er bereits
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