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Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte

Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte

Titel: Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte
Autoren: S G Browne
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Matratze. Ich schlurfe zur Treppe und
ziehe dabei den linken Fuß nach. Am oberen Absatz, als Silhouette vor dem Licht, das durchs Küchenfenster fällt, steht meine Mutter.
    »Dein Vater könnte etwas Hilfe mit dem neuen Müllzerkleinerer gebrauchen, Schatz«, sagt meine Mutter. »Könntest du vielleicht raufkommen und ihm zur Hand gehen?«
    »Ich brauche keine Hilfe, Lois«, ertönt die Stimme meines Vaters irgendwo hinter ihr. »Lass gut sein, ja?«
    »Ach, Blödsinn«, sagt sie. »Andy würde dir wirklich gerne helfen. Nicht wahr, Schatz?«
    Ich starre zu meiner Mutter hinauf und kneife die Augen zusammen, während ich mich frage, ob sie den Verstand verloren hat, als ich bei dem Unfall ums Leben gekommen bin oder vielleicht als ich drei Tage später bei der SPCA gelandet bin, wo man mir Unterkunft und Verpflegung gewährt hat.
    Hinter ihr versichert mein Vater, dass er alleine zurechtkommt, und fügt hinzu, dass er keine Lust hat, meinen Verwesungsgestank einzuatmen.
    »Es ist doch nur für ein paar Minuten«, flüstert meine Mutter ihm zu, den Kopf von mir abgewandt. »Das gibt ihm das Gefühl, gebraucht zu werden.«
    Sie tut tatsächlich so, als könnte ich sie nicht hören.
    »Also, steh nicht rum und starr Löcher in die Luft«, sagt sie, nun wieder zu mir. »Komm rauf und hilf deinem Vater.«
    Ich könnte versuchen, sie zu ignorieren, und einfach in meinem Zimmer bleiben und fernsehen, doch sie würde unaufhörlich meinen Namen rufen, in einer sehr hohen, singenden Tonlage, die auf der letzten Silbe noch eine Oktave nach oben geht. Selbst mit aufgedrehtem Fernseher
kann ich sie nicht übertönen. Ich hab’s versucht. Sie ist unerbittlich.
    Ich brauche fast zwei Minuten, um die fünfzehn Stufen vom Weinkeller in die Wohnung hochzusteigen, während mein Vater in einem fort grummelt, dass andere Menschen eine normale Familie haben.
    Nicht jede Leiche, die wiederbelebt wird, zieht bei ihren Eltern ein oder hat einen Freund oder Angehörigen, der sie bei sich aufnimmt. Ungefähr die Hälfte landet auf der Straße oder in irgendwelchen Asylen, und diejenigen, die weniger Glück haben, enden wie gesagt als Organspender oder werden an medizinische Einrichtungen und als Crashtest-Dummys verkauft. Es kommt nur selten vor, dass der Ehepartner einen Untoten bei sich aufnimmt, erst recht wenn sie Atmer-Kinder haben. Ich habe keine Ahnung, wie das in anderen Staaten ist, aber in Kalifornien sieht das Jugendamt es nicht gerne, wenn Alleinerziehende einen Zombie bei sich wohnen lassen. Und was das Besuchsrecht betrifft: Als Untoter hat man keins.
    Nach meinem Unfall ist meine siebenjährige Tochter Annie zur Schwester meiner Frau nach Monterey gekommen. Annie glaubt, dass ich tot bin. Allerdings habe ich in den ersten paar Wochen nach meiner Wiederauferstehung jeden Tag bei meiner Schwägerin angerufen, in der Hoffnung, dass Annie ans Telefon geht, um wenigstens ihre Stimme zu hören - bis ihre Tante und ihr Onkel eine Geheimnummer bekommen haben.
    Ich habe Annie auch mehrere Briefe geschrieben, doch sie haben das Haus nie verlassen. Den ersten Brief haben Mom und Dad einkassiert und vernichtet, als ich sie um eine Briefmarke gebeten habe. Der zweite, der unter meiner Matratze lag, ist verschwunden, als ich ein Haushaltsreiniger-Bad
genommen habe. Und die anderen hat man irgendwo auf dem Weg zu Annie abgefangen, bevor sie überhaupt abgestempelt wurden.
    Nach ein paar Monaten habe ich es schließlich aufgegeben. Und bin zu dem Schluss gelangt, dass meine Eltern wahrscheinlich nur das Beste für meine Tochter wollen. Sosehr ich Annie auch vermisse und besuchen möchte - ich halte es selber für keine gute Idee. Die Nachricht, dass ihr Vater ein Zombie ist, will oder kann sie womöglich nicht akzeptieren. Außerdem möchte ich nicht, dass sie mich so in Erinnerung behält. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sie gemeinsam mit mir picknicken geht.
    Vielleicht würde sie mich mit in die Schule schleppen und ein Referat über mich halten.
    Als ich den oberen Treppenabsatz erreiche und die Küche betrete, sprüht meine Mutter mich, während sie um mich herumscharwenzelt, von Kopf bis Fuß mit Duftspray ein, den Rest der Dose leert sie in meine Haare. Meine Eltern kaufen das Zeug kistenweise. Mom verwendet am liebsten einen Geruchsneutralisierer, denn er bekämpft den Gestank direkt an der Quelle. Ich stehe mehr auf »Frühlingsbrise«, auch wenn »Tropennebel« ebenfalls einen angenehmen, lieblichen Duft
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