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Maerchenmond - Das Buch zum Musical

Maerchenmond - Das Buch zum Musical

Titel: Maerchenmond - Das Buch zum Musical
Autoren: Wolfgang und Heike Hohlbein
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W arum musste ein Ort, der doch eigentlich einem so guten Zweck diente, nur so traurig aussehen?, dachte Kim.
    Dabei war das Zimmer hell und hatte ein großes Fenster, durch das warmes Sonnenlicht hereinströmte, und die Wände waren in einem freundlichen Cremeton gestrichen, der den Augen schmeichelte. Weder von dem typischen Krankenhausgeruch war etwas zu spüren, noch erinnerten die Möbel an ein Hospital. Ganz im Gegenteil hätte die Einrichtung auch aus einem liebevoll ausgestatteten Kinderzimmer stammen können, und die Luft roch ein bisschen nach Wald und wegen des gepflegten Parks, der sich hinter dem Fenster ausbreitete, auch ganz entfernt nach frisch gemähtem Gras. Die Krankenschwestern hier trugen hübsche Kostüme statt einschüchternder weißerKittel und hatten immer ein Lächeln auf den Lippen. Und selbst die Ärzte wirkten optimistischer, selbst wenn sie gerade eine ganz schlimme Nachricht brachten. Sie gaben sich wirklich alle Mühe. Und trotzdem gelang es Kim nicht, die Tränen zu unterdrücken.
    Er hatte sich zum Fenster gedreht, damit niemand die Nässe in seinen Augen sah. Schließlich war er kein kleines Kind mehr, das bei jeder Gelegenheit einfach so losflennte, sondern schon fast erwachsen, und es wäre ihm peinlich gewesen, hätten seine Eltern die Tränen in seinen Augen gesehen. Dass sie beide selbst mit großer Mühe um Fassung rangen, änderte daran gar nichts.
    Die Tür des kleinen Krankenzimmers ging auf und ein älterer Mann in einem blauen Kittel trat ein. Kim wagte es immer noch nicht, sich umzudrehen, sondern beobachtete ihn nur in der Spiegelung der Fensterscheibe vor sich. Trotzdem erkannte er, dass es sich nicht um einen der Ärzte handeln konnte, wie er im allerersten Moment angenommen hatte – und sein Vater offensichtlich auch, denn er drehte mit einem Ruck den Kopf und sahein bisschen verwirrt aus, selbst in der blassen Spiegelung auf der Scheibe.
    Der Mann würdigte weder seine Eltern noch die schlafende Gestalt in dem schmalen Bett eines Blickes, sondern nickte nur in die Runde und zog die Tür hinter sich zu. Ärzte, entschied Kim, trugen wahrscheinlich nicht einmal in diesem ganz besonderen Krankenhaus Blaumänner, und vermutlich trugen sie auch das Haar nicht rückenlang und zu einem weißen Pferdeschwanz im Nacken zusammengebunden.
    Und außerdem zogen sie ganz bestimmt keine kleinen Wägelchen mit Putzeimer, Wischmopp und anderen Putzutensilien hinter sich her …
    Sein Vater schien wohl zu demselben Schluss gekommen zu sein, denn er machte eine unwillige Geste und fragte leise, aber sehr scharf: »Das meinen Sie aber jetzt nicht wirklich ernst, oder? Sehen Sie nicht, dass wir hier …?«
    Kims Mutter legte ihm besänftigend die Hand auf die Schulter und brachte ihn auf diese Weise nicht nur zum Schweigen, sondern hinderte ihn vermutlich auch daran, noch etwas viel Unhöflicheres zu sagen. Kim sah seinen Vater verwundert an. So kannte er ihn gar nicht. Aber schließlich waren sie ja auch noch nie in einer so schlimmen Situation wie dieser gewesen.
    Sein Vater hatte sich sogleich wieder unter Kontrolle und beließ es lediglich bei einem abschließenden bösen Blick auf den Putzmann, der vollkommen ungerührt Eimer und Wischmopp von seinem Karren nahm und mit seiner Arbeit begann, als ginge ihn das alles hier gar nichts an. Kim drehte rasch den Kopf, als sein Vater nun in seine Richtung sah und seinen Blick in der Spiegelung auf der Fensterscheibe einzufangen versuchte. Er sagte nichts, aber Kim konnte seinen Blick fast körperlich spüren.
    Er kam sich feige vor, und irgendwie war er es auch … aber verdammt, er hatte einfach nicht den Mut, sich umzudrehen und wieder an das schmale Bett heranzutreten, auf dem seine kleine Schwester mit dem Tode rang!
    Allein der Gedanke trieb ihm schon wieder die Tränen in die Augen. Er biss sich auf die Zunge, um wenigstens ein Schluchzen zu unterdrücken, schluckte den bitteren Kloß herunter, der plötzlichin seiner Kehle war, und raffte schließlich all seine Kraft zusammen, indem er sich in Gedanken nicht nur einen Feigling nannte, sondern sich noch mit allerlei anderen und sehr viel unfreundlicheren Bezeichnungen belegte. Schließlich zog er hörbar die Nase hoch, fuhr sich noch einmal mit dem Handrücken über die Augen, um die Tränen wegzuwischen, und drehte sich vom Fenster weg. Er war noch mitten in der Bewegung, als etwas Unheimliches geschah: Wahrscheinlich war es nur ein Lichtreflex auf dem Fenster und das heiße
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