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07 - Ein Grab im Dschungel

07 - Ein Grab im Dschungel

Titel: 07 - Ein Grab im Dschungel
Autoren: Timothy Stahl
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Synchron mit Jandros schöner Schwester Maria Luisa, die auf dem Copilotensitz des Helikopters saß, warf Tom einen hastigen Blick über die Schulter. Schon zuvor war durch die haarfeinen Ritzen in der Kunststoffwandung beißender schwarzer Rauch in die enge Viersitzer-Kabine gedrungen. Jetzt leckten tatsächlich erste kleine Flammen hervor.
    »Scheiße!«, fluchte Tom und wandte den Blick wieder nach vorne.
    Unter ihnen erstreckte sich die Wasserfläche des Atlantiks, grau wie hingegossenes Blei und scheinbar ebenso schwer; aus der Höhe schien der Ozean nur träge zu wogen. Die Insel, von der Tom sich ihre Rettung erhoffte – seiner Einschätzung nach musste es sich dabei entweder um die Île de Ré oder die Île d’Oléron vor der französischen Westküste handeln –, war immer noch gute zweihundertfünfzig Meter entfernt. Rechts von einem Leuchtturm erstreckte sich ein langer Sandstrand, der im trüben Licht des bewölkten Tages geradezu unnatürlich weiß schimmerte, regelrecht verlockend.
    Eine Verlockung, der Tom nur zu gern verfallen wollte.
    Aber das Schicksal schien dagegen zu sein.
    Immerhin, verfolgt wurden sie nicht. Wie Tom kurz nach ihrem Start vom Frachter gesehen hatte, war sein Sabotageakt erfolgreich gewesen: Der andere Hubschrauber, in dem die Indios Jagd auf sie machen wollten, war abgeschmiert und hinter dem Containerschiff ins Meer gestürzt.
    »Wir stürzen ab«, flüsterte Maria Luisa, aber sie klang nicht panisch, sondern beinahe so passiv wie ihr autistischer Bruder, dessen Blick merkwürdig interessiert über die Fugen der Innenverkleidung wanderte und das Spiel des hervorquellenden Rauchs und der Flämmchen verfolgte, als verberge sich darin ein Muster, das sich nur ihm erschloss. Maria Luisas Finger jedoch krallten sich schmerzhaft fest in Toms Oberschenkel und sprachen eine andere, angsterfüllte Sprache.
    »Wir stürzen nicht ab«, behauptete Tom. Er presste die Worte hervor, staunte aber, wie überzeugend er dabei selbst in seinen eigenen Ohren klang.
    Schon im Normalflug hatte der Pilot eines Hubschraubers buchstäblich alle Hände – und Füße – voll zu tun, um die Maschine in der Luft zu halten, zumindest bei einer Fluggeschwindigkeit unterhalb hundert Stundenkilometer. Erst darüber verhielt sich ein Helikopter ähnlich wie ein Tragflächenflugzeug und war entsprechend einfach zu steuern.
    Ungleich schwieriger war dieses Unterfangen bei einem Hubschrauber, der nur noch eines wollte: runter, am liebsten wie ein Stein!
    Tom schüttelte sich mit einer ruckhaften Kopfbewegung den Schweiß aus dem Gesicht, der ihm von der Stirn in die Augen zu laufen drohte. Mit der Hand konnte er ihn nicht wegwischen, er brauchte beide Hände, um der Maschine seinen Willen aufzuzwingen. Seine Linke krampfte sich um den Hebel, der den Auftrieb kontrollierte, die Rechte um den eigentlichen Steuerknüppel. Mit den Füßen bediente er die Pedale, die für den Heckrotor und damit die Links-Rechts-Drehung zuständig waren.
    Doch alle Hebel, Knüppel und Pedale reagierten mit geradezu spürbarem Widerwillen, mal zeitverzögert, dann gar nicht …
    Noch hundertfünfzig Meter.
    Komm schon, komm, schon, komm schon!, fieberte Tom. Er blinzelte, weil ihm nun doch Schweiß in die Augen rann, und er fluchte und hustete, weil ihn der Rauch von schmorendem Kunststoff in Hals und Nase brannte.
    Der Motor stotterte. Immer noch fünfzig Meter über dem Wasser, ruckelte die R44 in der Luft wie über die Betonschwellen einer unsichtbaren Straße.
    Nein, nein, bitte nicht, bitte nicht!, bettelte Tom in Gedanken, und irgendwer oder -was erhörte ihn. Das Stottern und Ruckeln hörten auf, für den Moment jedenfalls.
    Sekunden dehnten sich zu Ewigkeiten, in denen die Insel, das weiß leuchtende Ufer einfach nicht näher zu rücken schienen.
    Geh tiefer, geh tiefer, hämmerte es in Tom. Mit der linken Hand veränderte er die Blattstellung des Rotors, mittels eines Griffs am selben Hebel verringerte er die Motorleistung und damit das Drehmoment. Die verkrampften Finger der Hand schmerzten. Tom verkniff sich ein Stöhnen und sog die Luft scharf ein, trotz des Plastikgestanks, der sich abermals in seine Luftröhre hinabfraß.
    Um den ätzenden Geruch aus der Kabine zu vertreiben, schob Maria Luisa das Seitenfenster auf, bevor Tom sie daran hindern konnte. Die hereinwehende Luft führte den kleinen Flammen, die über die Innenverkleidung tänzelten, Sauerstoff zu und fachte sie an.
    Eine sengende Hitzewolke breitete sich
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