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Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte

Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte

Titel: Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte
Autoren: S G Browne
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mit dem Gesicht volles Rohr über den Asphalt geschrammt bin«, sagt Jerry. »Überall Schürfwunden, aber hallo.«
    Jerry hat den ganzen Heimweg über von seinem Unfall gefaselt, während Rita und Helen selig schweigend vor uns hergeschlendert sind. In Momenten wie diesen wünsche ich mir fast, ich hätte meine beiden Ohren verloren.
    »Alter«, sagt Jerry. »Willst du mal mein Hirn anfassen?«
    Das Letzte, was ich möchte, ist, Jerrys Gehirn zu berühren, aber es ist gar nicht so leicht, auf eine Tafel, die um deinen Hals hängt, mit einer Hand Nein danke zu kritzeln, während du mit gebrochenem Fußgelenk den Gehweg entlangschlurfst.
Also schüttle ich einfach den Kopf, in der Hoffnung, dass er nicht anfängt, von seiner Dauererektion zu erzählen.
    Zu viert laufen wir über leere Parkplätze, vorbei an Läden, die inzwischen geschlossen haben, und an Wohnhäusern, wo es hinter Vorhängen warm schimmert. Einige der Häuser sind bereits mit Skeletten, Gespenstern und Hexen auf Besenstielen geschmückt. Auf den Türstufen und unter den Vordächern liegen Kürbisse, in die noch Gesichter geschnitzt werden müssen. Der kalte Herbstswind raschelt in den Bäumen.
    Halloween steht vor der Tür, was mir diesmal noch passender erscheint als in den Vorjahren. Schließlich muss ich mich nicht mal verkleiden.

KAPITEL 3
    Der Highway 17 ist eine vierspurige Berg-und-TalFahrt aus Asphalt, die das Silicon Valley durch die Santa Cruz Mountains mit dem Pazifischen Ozean verbindet. Die Fahrbahnen sind durch eine niedrige Betonwand mit Zwischenräumen voneinander getrennt, durch die man an einigen Stellen mit dem Wagen nach links auf eine Nebenstraße abbiegen kann. Manchmal, ganz selten, kommt es vor, dass ein Fahrzeug durch eine dieser Lücken in den entgegenkommenden Verkehr ausschert und mit einem anderen Wagen frontal zusammenstößt. Noch seltener nickt ein Fahrer in den frühen Stunden eines sternenklaren Julimorgens auf dem Rückweg von einer Dinnerparty hinter dem Steuer ein, worauf sein 2001er VW Passat durch einen dieser Zwischenräume rast, auf die Fahrbahn Richtung Norden gerät und gegen einen Damm hinter dem gegenüberliegenden Seitenstreifen knallt, etwa sechs Meter in die Luft geschleudert wird und mit fast hundert Stundenkilometern gegen den Stamm eines dreihundert Jahre alten Mammutbaums kracht.
    Selbst Hollywood könnte meinen Unfall nicht nachstellen, ohne dass es inszeniert wirken würde. In einem Film würde der Hauptdarsteller es allerdings irgendwie schaffen, unversehrt aus dem Wagen zu klettern.

    Mel Gibson oder Bruce Willis vielleicht nicht, aber Brad Pitt ganz bestimmt.
    An den Unfall selbst habe ich keinerlei Erinnerung. Ich habe weder eines helles Licht gesehen noch himmlische Chöre gehört, aber ich war ja auch nicht im Himmel. Ich kann mich nur noch an die Dunkelheit erinnern, unendlich und undurchdringlich wie eine feste Membran.
    Das Nächste, woran ich mich erinnere, ist, dass ich den Seitenstreifen der Old San Jose Road entlangwanke und meinen linken Fuß nachziehe, während ich mich frage, welchen Tag wir haben, wo ich gerade herkomme und warum ich meinen linken Arm nicht bewegen kann. Dann fährt ein Pick-up vorbei, und eine faule Tomate trifft mich mit voller Wucht seitlich am Gesicht. Auf der Ladefläche des Wagens stehen zwei Jugendliche. Einer streckt mir mit runtergelassener Hose seinen nackten Arsch entgegen, während der andere erneut eine Tomate nach mir wirft und brüllt: »Steig zurück in die Grube, du beschissener Freak!«
    Zunächst glaube ich, dass es sich lediglich um ein paar Kids handelt, die zum Spaß Leute mit Tomaten bewerfen. Als Zombie hat man als Erstes damit zu kämpfen, dass man die Fakten leugnet. Doch dann taumle ich an Bills Lebensmittelgeschäft vorbei und erhasche in der Frontscheibe einen Blick auf mein Spiegelbild.
    Mein linkes Fußgelenk ist auf grauenvolle Weise verdreht. Und mein linker Arm ist nicht mehr zu gebrauchen - sämtliche Knochen von der Schulter bis zum Ellbogen sind zerbröselt und enden in einer verrenkten Klaue, die mal meine linke Hand gewesen ist, mein linkes Ohr ist zerfetzt, und mein Gesicht sieht aus wie ein Puzzle.
    Während ich auf mein unscharfes Spiegelbild starre - in meinem schwarzen Anzug und meiner schwarzen Krawatte
wirke ich, als käme ich direkt vom Set eines George-A. -Romero-Films -, tritt ein sechsjähriges Mädchen aus der Tür, lässt sein Karamelleis fallen und läuft schreiend davon.
    Nicht gerade einer der Top-Ten-Momente
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