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Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte

Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte

Titel: Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte
Autoren: S G Browne
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unterwegs bin.

    »Alter, der Wagen war echt der Hammer«, sagt Jerry. »Kirschrot, mit einem höllischen Motor und einer mordsmäßigen Stereoanlage. Du hättest ihn sehen sollen.«
    Ich kenne die Geschichte in- und auswendig. Eine Flasche Jack Daniels, ein paar Züge an der Wasserpfeife, ein nicht angelegter Sicherheitsgurt, ein Strommast und mangelndes Augenmaß beim Rechtsabbiegen haben dazu geführt, dass Jerry durch die Windschutzscheibe seines kirschroten 1974er Charger geflogen und Kopf voran über die River Street geschlittert ist, wobei ein Stück seiner Kopfhaut wegrasiert wurde. Ich habe die Geschichte derart oft gehört, dass es mir fast so vorkommt, als wäre sie mir passiert. Nur dass mein Unfall schlimmer war. Jerry saß alleine in seinem Wagen.
    Neben mir auf dem Beifahrersitz schlief meine Frau, und im Gegensatz zu mir ist sie nie wieder aufgewacht.
    Die ersten zwei Monate nach dem Unfall konnte ich an nichts anderes als an Rachel denken - den Geruch ihrer Haare, den Geschmack ihrer Lippen, an ihren warmen Körper nachts neben mir. Ich suhlte mich in meinem Schmerz, verzehrt von Kummer und Selbstmitleid. Außerdem musste ich mit dem Gestank meiner verwesenden Kopfhaut und dem Geschmack von Formaldehyd in meinem Rachen fertig werden sowie mit meinem kalten, verfaulenden Körper. Ich hätte mich deswegen fast mit Benzin übergossen und in Brand gesteckt.
    Wer noch nie nach einem Autounfall wieder zu sich gekommen ist, um festzustellen, dass die eigene Frau tot ist und er selbst eine lebendige, verwesende Leiche, kann das wahrscheinlich nicht verstehen.
    Helen sagt, auch wenn wir alle mehr als nur unser bisheriges Leben verloren haben, müssen wir den Blick zuversichtlich
nach vorne richten. Sie sagt, dass wir die Vergangenheit loslassen müssen, bevor wir uns der Zukunft zuwenden können. Ich arbeite immer noch daran. Momentan ist die Vergangenheit alles, was ich habe, und die Zukunft wirkt so vielversprechend wie das aktuelle Herbstprogramm von CBS.
    Ich habe mir immer wieder gewünscht, Rachel wäre mit mir zusammen auferstanden, so dass ich das hier nicht alleine durchstehen müsste, doch schließlich wurde mir klar, dass sie tot besser dran ist. Ich würde Gott ja schon für ein paar kleine Gefälligkeiten danken, aber ich habe bereits vor meinem Unfall an seiner Existenz gezweifelt, und ich habe meine Meinung nicht unbedingt geändert. Die eigene Frau bei einem Autounfall zu verlieren stellt selbst den Glauben des gläubigsten Menschen auf eine harte Probe. Doch wenn man sowieso schon eine skeptische Haltung hatte, versetzt der Gestank des eigenen verwesenden Fleisches dem Glauben an eine göttliche Macht in der Regel den Todesstoß.
    Das ist eines der größten Probleme, wenn man von den Toten zurückkehrt. Der Geruch geht nie ganz weg.
    Achtundvierzig Stunden nach meinem Tod bin ich wiederbelebt worden; bevor die Verwesung einsetzte und nachdem man mich einbalsamiert hatte. Danach verlangsamt sich der Verfallsprozess auf die Hälfte der Geschwindigkeit, mit der Haar in der Regel wächst. Auf jeden Fall ist für diejenigen von uns, die das Glück hatten, einbalsamiert worden zu sein, Formaldehyd das magische Elixier, das die Verwesung auf ein kaum merkliches Tempo abbremst und es einem Untoten ermöglicht, eine gewisse Würde zu wahren. Das Stigma, ein Zombie zu sein, ist schon schlimm genug, doch für diejenigen, die wiederbelebt wurden, bevor
man sie einbalsamiert hat, ist es äußerst entmutigend, wenn ihnen die Haare, die Nägel und die Zähne ausfallen. Und es ist echt peinlich, wenn du die Straße entlanggehst und plötzlich eine deiner Körperhöhlen aufplatzt.
    Wenn man genug Formaldehyd zu sich nimmt, kann man den Zerfall des Körpers und der inneren Organe unter Kontrolle halten. Auch wenn man nicht an das hochdosierte Zeug kommt, das in der Industrie benutzt wird, findet man es in Lippenstiften, Make-up, Nagellack, Zahnpasta, Mundwasser, Deos, Antitranspirants, im Schaumbad, in Badeöl, Shampoo und in Limonade.
    Rita bezieht ihr Formaldehyd vor allem aus Lippenstiften und Nagellack, während Jerry seine nötige Dosis lieber mit Limonade zu sich nimmt. Ich persönlich versuche die Finger von dem Zeug zu lassen. Ist nicht gut für die Zähne. Ich hole mir meine Nahrungsergänzungsmittel hauptsächlich aus Shampoo und Zahnpasta. Manchmal habe ich allerdings auch gegen eine Portion Alberto-VO5-Haarspülung nichts einzuwenden.
    »… und das Nächste, woran ich mich erinnere, ist, dass ich
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