Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte

Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte

Titel: Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte
Autoren: S G Browne
Vom Netzwerk:
schaue ich in den Spiegel, und dann packt mich wieder dieses Gefühl der Hoffnungslosigkeit.«
    Fünf weitere Köpfe nicken verständnisvoll. Carl ist der Einzige, der anderer Meinung ist.
    »Du bist nicht damit einverstanden, Carl?«, fragt Helen.
    Carl hat sieben Stichverletzungen, zwei davon im Gesicht, von zwei Jugendlichen, die ihm die Brieftasche geklaut und mit seinen Kreditkarten im Internet für siebenhundert Dollar Pornos gekauft haben.
    »Nein«, sagt Carl. »Ich gebe ihr vollkommen Recht. Sie ist ein hoffnungsloser Fall.«
    »Wirklich reizend«, sagt Naomi und steckt sich eine Zigarette an. Zur Hälfte Afroamerikanerin, zur Hälfte Japanerin, könnte Naomi immer noch als Model durchgehen, wenn da nicht die leere Augenhöhle und die herabhängende rechte Gesichtshälfte wären. »Warum reißt du ihr nicht gleich die Narben wieder auf, wo du schon dabei bist?«
    »Das überlasse ich deinem Ehemann«, sagt Carl.
    Naomis Mann hat nach einem erfolglosen Tag auf dem Golfplatz mit einem Titleist Vierer-Eisen zu Hause seinen Frust an ihr ausgelassen.
    »Er ist nicht mehr mein Mann«, sagt Naomi.

    »Streng genommen nicht«, sagt Carl. »Aber streng genommen sollte keiner von uns hier sein.«
    »Und doch sind wir hier«, sagt Helen. »Warum konzentrieren wir uns nicht darauf?«
    Außer Helen, Rita, Naomi und Carl besteht die Gruppe aus Tom, einem achtunddreißigjährigen Hundetrainer, der seinen rechten Arm sowie seine linke Gesichtshälfte fast an zwei spanische Doggen verloren hätte, und Jerry, ein einundzwanzigjähriges Unfallopfer. So wie ich.
    Aufgrund unserer ähnlichen Erfahrungen verspürt Jerry eine gewisse Nähe zu mir, darum sitzt er bei jedem Treffen neben mir. Doch ich komme mir einfach nur verloren vor, denn Jerry, der auf Rap-Musik steht und trotz seines Alters seine Hosen immer noch halb über dem Arsch hängen hat, geht mir auf die Nerven. Darum habe ich mich heute Abend an das Ende des Halbkreises neben Naomi gehockt.
    »Wir sind alle Überlebende«, sagt Helen, dann steht sie auf und tritt an die Tafel. »Ich möchte, dass keiner von euch das vergisst. Ich weiß, wie schwer es ist, mit den Drohungen und Beschimpfungen zurechtzukommen, und damit, dass man abgelaufene Lebensmittel nach euch wirft, aber ihr habt nicht ohne Grund überlebt.«
    Manchmal erinnert mich Helen an Mary Poppins - stets gut gelaunt und einen wohlmeinenden Ratschlag auf den Lippen, der allerdings nur solchen Gestalten etwas nutzt, die Filme, Märchen oder die Playboy Mansion bevölkern. Ich muss allerdings zugeben, dass ich ohne die Selbsthilfegruppe wahrscheinlich nie den Weinkeller meiner Eltern verlassen hätte. Trotzdem finde ich, dass wir uns einen anderen Namen als »Anonyme Untote« einfallen lassen sollten. Denn als Untoter ist man genauso anonym wie ein Transvestit mit Bartstoppeln.

    Wenigstens schmuggeln sich keine Selbsthilfe-Schwindler in unsere Treffen, um schutzlose Frauen abzuschleppen. Das wäre echt krank. Ungewöhnlich, aber krank.
    Helen schreibt eine weitere ihrer Botschaften an die Tafel und dreht sich dann zu uns um. Unter DU BIST NICHT ALLEIN steht jetzt:
    ICH BIN EIN ÜBERLEBENDER.
    »Ich möchte, dass ihr, jedes Mal wenn ihr euch einsam oder verzweifelt fühlt, diesen Satz sagt: ›Ich bin ein Überlebender. ‹ Und jetzt alle zusammen.«
    Als das Treffen zu Ende ist, ist es draußen bereits dunkel. Wir haben erst Mitte Oktober und seit einem Monat Herbst, und es ist bereits stockfinster, bevor Jeopardy beginnt.
    Ich habe den Herbst nie gemocht. Auch schon vor dem Unfall habe ich es gehasst, wenn sich die Temperaturen abkühlten und die Blätter langsam verfärbten. Jetzt erinnert mich ihr Anblick daran, wie sehr sich mein eigenes Leben abgekühlt hat. In letzter Zeit glaube ich, dass es nichts weiter als einen endlosen Herbst gibt, der einen immerwährenden Winter ankündigt.
    Erneut packt mich ein Gefühl der Melancholie.
    Helen rät uns immer, das Treffen paarweise zu verlassen, doch Carl meint, dass er niemanden an seiner Seite braucht, um Händchen zu halten, und macht sich alleine auf den Heimweg. Jerry, Helen, Rita und ich, wir wohnen alle in derselben Ecke, also brechen wir in die eine und Naomi und Tom in die andere Richtung auf. An den meisten Abenden bildet Jerry mit mir ein Paar und erzählt in einem fort von seinem Unfall, und dass er mal wieder eine Nummer schieben müsste, und dass er sich fragt, wie es wohl wäre, tot zu sein. Das frage ich mich auch. Erst recht wenn ich mit Jerry
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher