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Alle Wege führen nach Rom

Alle Wege führen nach Rom

Titel: Alle Wege führen nach Rom
Autoren: Adalbert Seipolt
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mir erst neulich
erklärt, Sie dächten gar nicht ans Heiraten.«
    »Wann habe ich das erklärt? « fragte Birnmoser
kleinlaut.
    »Am Kolosseum, vor drei Tagen.«
    »Vor drei Tagen! Mein Gott, wie schnell doch
unsereiner seine Vorsätze vergißt!« Da lachten sie beide laut und herzlich, die
kleine Annaberta aber schwieg noch immer.
    Punkt sechs Uhr — die große Annaberta hatte die
kleine eben noch mit Grießbrei gefüttert — fuhr ein Taxi vor. Birnmoser
erschien in einem Smoking von leuchtendem Schwarz, der Zitronenfalter Eva hatte
sich in einen Kohlweißling verwandelt, der Monsignore trug einen frischen
Kragen, der Primiziant war tadellos rasiert.
    Sie nahmen Platz. »Trastevere, San Callisto!« rief
Birnmoser dem Chauffeur zu.
    »Trastevere?« fragte Annaberta erschrocken.
    »Keine Angst. Vor Katzenfängern sind Sie heute
sicher!«
    Das schöne Wetter hatte ganz Rom auf die Straße
gelockt. Und doch glaubte Annaberta, im Menschengewühl auf dem Corso den
Simmerl und den Mesner Luitpold zu erkennen, wie sie Arm in Arm, mit wilden
Gebärden auf einen Schuhputzer einredeten und dabei immer die Gebärde des
Trinkens machten. >Die suchen kaum die Via Appia<, dachte sich die
Schwester. >Vor denen brauche ich mich also nicht zu genieren.<
    Um so mehr genierte sie sich ihrer
Vergnügungssucht, als sie am Lungotevere dem verarmten Ehepaar von Neuhaus
begegneten. Wie ein zerknitterter Regenschirm hing der Herr Baron am Arm seiner
Gemahlin und schleppte sich so müde übers tausendjährige Pflaster, als hätte er
mehr Blasen als Zehen an den Füßen.
    Birnmoser ließ das Taxi halten und rief das
Ehepaar an: »Wohin zu Fuß?«
    »Nach Sankt Peter«, erwiderte die Baronin.
    »Da fährt doch aber die Circolare hin!«
    Der Baron spitzte die Ohren. »Gemahlin, hörst du?«
sagte er dann, »da fährt die Circolare hin.«
    »Still, Ferdinand — « kommandierte sie, und er
kuschte sich wie ein geprügelter Hund. »Wir haben gelobt, die Wallfahrt zu den
sieben Hauptkirchen zu Fuß zu machen. Haben wir es bisher ausgehalten, werden
wir das letzte Stück auch noch bewältigen.« Und sie gab ihrem Mann einen
aufmunternden Klaps auf den Rücken.
    »Weiterfahren«, bat Eva Süß leise. Und weder sie
noch der Monsignore, noch Birnmoser, noch der Primiziant, am allerwenigsten
jedoch Schwester Annaberta sprachen ein Wort, ehe sie in einer engen Gasse von
Trastevere hielten.
    Von dem festlich geschmückten Lokal, vor dem sogar
vatikanische Wägen parkten, sah Schwester Annaberta nicht viel. Gesenkten
Blicks ging sie durch die Säle. Eine lange Treppe führte sie in den Keller.
Erst hier, wo es wohltuend kühl und still war, wagte sie, die Augen zu erheben.
Und was sah sie da?
    Emerenz Obermair, die ehrengeachtete Jungfrau (wie
es einmal auf ihrem Grabstein heißen wird), saß mutterseelenallein an einem Tisch,
hatte ein Gläschen voll dunkelbraunem Naß vor sich stehen, summte die zweite
Stimme der Cäcilienmesse von Haslbacher und schwenkte mit dem Likörfläschchen
den Takt dazu.
    »Nanu?« entfuhr es dem erstaunten Monsignore und
er konnte sich das Lachen kaum verbeißen. »Nanu?« echoten die andern.
    Die brave Emerenz merkte zunächst gar nichts. Erst
als ihr Schwiefele sanft auf die Schulter klopfte, stürzte sie erschrocken aus
ihrer seligen Verzückung und ließ die Flasche fallen.
    Wie sie nur in dieses Lokal geraten sei, wollte
Birnmoser wissen.
    Verschämt strich sich die Emerenz über den
feuchten Mund, schneuzte sich dann recht kräftig, um Zeit zu gewinnen, und gab
schließlich eine wortreiche Erklärung ab. Sie hätte es sich vorgenommen,
möglichst viel Ablässe zu gewinnen und deshalb alle Heiligtümer Roms zu
besuchen. So hätte sie den ganzen Tag wie eine Wühlmaus in Katakomben
zugebracht, die nur Eingeweihten bekannt seien. Schließlich habe sie vom
Brunnen des heiligen Kallistus gehört, einem der merkwürdigsten Heiligtümer der
Stadt. Zunächst habe sie ein bißchen gezögert, als es hieß, diese ehrwürdige
Stätte befände sich in einem Lokal. Doch nicht lange. Ein liebenswürdiger
Kellner habe sie zu dem Brunnen geführt, ihr recht eindrucksvoll das Martyrium
des Papstes Kallistus, der dort ertränkt worden war, geschildert und sie
schließlich gefragt, ob sie nicht von dem Brunnenwasser etwas genießen wolle;
es sei ein nicht nur geheiligter, nein auch heilkräftiger Trank. Die
ablaßfreudige und reliquienhungrige Emerenz habe selbstverständlich zugestimmt
und nun koste sie andächtig den ehrwürdigen Trank
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