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Alle Wege führen nach Rom

Alle Wege führen nach Rom

Titel: Alle Wege führen nach Rom
Autoren: Adalbert Seipolt
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über diese Herrlichkeiten. Vielleicht faßte
er noch nicht, daß dies alles ihm gehörte?

    »Pax tecum!« sagte die Schwester und meinte,
vielleicht versteht er Latein. Und wie er’s verstand! Mit raschem Griff, als
fürchte er, die gute Fee könnte ihre gute Tat bereuen, sammelte er die
Spieltiere ein, versteckte sie unter dem Hemd und schleppte sie dann in seine
Schlafecke. Als er seine Beute sicher verstaut hatte, kehrte er auf den
Zehenspitzen zurück, verbeugte sich respektvoll und hauchte der Schwester ein
Küßchen auf die Hand. Von wem hatte er das wohl gelernt? Von seinem Vater
vielleicht?
    Fast begann die Schwester daran zu glauben. Denn
als Gino nun endlich auch erwachte, erbot er sieh sofort, die Schwester zu
ihrem Pilgerhospiz zu begleiten. Nur müsse sie ihm versprechen, einen Umweg um
die nächste Polizeistation zu machen. Und außerdem müsse sie natürlich die
Bambina mitnehmen.
    Durch das Ausräumen der Spielsachen fand die
Bambina in der großen Tasche bequem Platz. Gino stiftete noch ein Katzenfell,
damit sein Sprößling möglichst weich gepolstert den Marsch durch Rom überstehe.
Und dann traten sie ins blendende Licht des Tages hinaus.
    Palmiro blickte ihnen verwundert nach. Ob die gute
Frau wohl wiederkommen würde? Zwei Stunden hoffte er, bis der Vater allein
zurückkehrte. Palmiro verstand. Er verkroch sich in seine Ecke, holte den
Wachselefanten hervor und drückte ihn so heftig an seine Brust, bis er zu einem
armseligen Klümpchen zusammengeschmolzen war, gar nicht viel größer als die
Tränen, die Palmiro unaufhörlich über die Wangen kullerten.
    Ausgerechnet in dem Augenblick, da sich die Pilger
vor dem Quartier versammelten, um nach dem Lateran zu marschieren, kehrte die
Schwester zurück. Ein vielstimmiger Jubelschrei erscholl! Die Nachricht von
ihrem rätselhaften Verschwinden hatte sich rasch herumgesprochen, und jedermann
hatte plötzlich seine Sympathie für die stille, bescheidene Gefährtin entdeckt.
Die aufregendsten Vermutungen waren laut geworden. Der Baron von Neuhaus hatte
ein wohlvorbereitetes Unternehmen der Kommunisten oder anderer Menschenräuber
geargwöhnt; Frau Schulrätin hatte auf eigene Kosten — (»Da sich die Reiseleitung,
wie immer, zu keinem energischen Schritt aufraffen kann«) — für neun Uhr einen
Detektiv bestellt; der Mesner Luitpold hatte unaufhörlich den Kopf geschüttelt
und gebrummt, das käme davon, wenn Klosterfrauen auf Reisen gehen statt hinter
ihren Gittern zu bleiben; und Fräulein Süß war eine halbe Stunde eher
aufgestanden, in die benachbarte Kirche gegangen und hatte einen ganzen
Rosenkranz für die Heimkehr der Schwester gebetet.
    Der Monsignore wußte nicht recht, sollte er seine
Arme weit aufspannen oder zum Zeichen des Zorns hinter dem Rücken verschränken.
Als er merkte, die Schwester drohe vor Erschöpfung umzufallen, siegte sein
gutes Schwabenherz. »Gott sei gepriesen, daß Sie endlich da sind!« rief er, bot
ihr freundschaftlich den Arm und geleitete sie ins Haus, um sie vor dem
Fragenregen der Neugierigen zu bewahren. Er schob ihr einen Sessel hin.
Taumelnd fiel die Schwester aufs Polster. Die Tasche aber behielt sie fest in
der Hand.
    »Nun müssen Sie sich erst einmal etwas stärken,
bevor Sie alles erzählen«, bestimmte der Monsignore. »Wünschen Sie Milch oder
Kaffee?«
    »Beides. Für mich den Kaffee.«
    »Und für wen die Milch?«
    Wortlos öffnete sie ihre Tasche. Dem Monsignore
verschlug es die Sprache.
    Als die Pilger, aus dem Lateran heimgekehrt, von
Schwester Annabertens Abenteuer in Trastevere vernahmen, hätten sie ihr am
liebsten eine Ovation dargebracht. Der Monsignore mußte alle Energie aufwenden,
die gemischte Pfarrjugend am Sturm auf die Dachterrasse, wo die Schwester ihren
Schlaf nachholte, zu verhindern. Gewissermaßen als Ersatz gab er die kleine
Annaberta zur Besichtigung preis. Des Katzenfängers Töchterlein schlummerte in
einem blütenweißen Bettchen und nahm keinerlei Notiz von den Damen, die,
seufzerreich den Vorfall kommentierend, an ihm vorüberdefilierten.
     

VII Von der Gnade,
die keiner hatte, oder
wie Herr Birnmoser seinen guten Vorsatz
vergaß
     
     
    Weil es Feiertag war, und zudem der letzte
Tag in der Ewigen Stadt, verzichtete die Reiseleitung auf ein festes Programm
und stellte den Pilgern selbst anheim, ob sie zum Pontifikalamt nach Sankt
Peter oder nach Sankt Paul oder sonstwohin gingen, nur sollte sich niemand
allein auf den Weg machen, sondern sich an einen anschließen,
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