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Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Titel: Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200
Autoren: C.H.Beck
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I) Europa um 700
    /e/ uropa, einer der drei Erdteile im geographischen Weltbild der Antike, war um 700 weit entfernt von jeder Gemeinsamkeit, die einen spezifischen Unterschied zur übrigen Welt bedeutet hätte, und konnte daher auch von niemandem als eigenständige Größe wahrgenommen werden. Tiefgreifende politische und kulturelle Veränderungen, die in modernen Augen als der Übergang vom Altertum zum Mittelalter erscheinen, hatten seit etwa 400 die herkömmliche Zweiteilung in das universale, nicht auf Europa beschränkte Römerreich und eine amorphe Welt von Barbaren jenseits seiner Grenzen mehr und mehr zum Verschwinden gebracht und stattdessen ein neues Gefüge entstehen lassen, das von kleineren Einheiten, geringerer Stabilität und vorerst wachsender wechselseitiger Distanz geprägt war. Nach religiösen und sprachlichen Merkmalen lassen sich fünf Kulturzonen unterscheiden.
Lateinische Barbarenreiche
    Im Westen und Süden des Kontinents war der große Umbruch längst abgeschlossen, der in deutscher Fachterminologie als die «Völkerwanderung» schlechthin bezeichnet wird, also das Auftreten herrschaftsbildender Gruppen barbarischer Herkunft und durchweg germanischer Sprache, die auf dem Boden des Imperium Romanum ihren Machtanspruch durchsetzten. Zwischen 400 und 600 waren zunächst von den Ostgermanen (Westgoten, Sueben, Vandalen, Burgundern, Ostgoten, Langobarden), dann auch den Westgermanen (Franken, Angelsachsen) die entscheidenden Impulse ausgegangen, die das Reich der römischen Kaiser mit Ausdehnung rund um das Mittelmeer zerbrechen und an seine Stelle ein Nebeneinander von Hoheitsgebieten verschiedener Könige und Völker treten ließen. Indiesen nach dem «gentilen Prinzip» gebildeten Reichen übte jeweils eine zahlenmäßig kleine Führungsschicht, die sich als zugewanderter Abstammungsverband begriff, Herrschaft über die seit der Römerzeit ansässige Bevölkerungsmehrheit aus, deren Steuerkraft und administrative Kompetenz noch lange unentbehrlich blieben. Gemeinsame Basis der politischen Ordnung waren die lateinische Sprache, kodifiziertes Recht und das Christentum, das die Ostgermanen allerdings anfangs in der heterodoxen Form des Arianismus praktizierten. Regelmäßig ergaben sich erhebliche Integrationsprobleme, und wie die einzelnen Reiche damit umgingen, hat nicht wenig über ihr historisches Schicksal entschieden. Überall früher oder später gescheitert ist das dualistische Konzept betonter Abgrenzung, das die politischen, rechtlichen und auch religiösen Unterschiede zu verstetigen suchte, damit aber eine innere Schwäche bewirkte, die dazu führte, daß man feindlicher Bedrohung von außen nicht gewachsen war und entweder dem Zugriff stärkerer Germanenreiche erlag (wie die Burgunder und die Westgoten in Gallien den Franken, die Sueben den Westgoten in Spanien) oder aber zur Zeit Kaiser Justinians († 565) der oströmischen Rückeroberung anheimfiel (wie das Vandalenreich in Afrika und das Ostgotenreich in Italien). Festeren Bestand hatten diejenigen Reiche, die den konfessionellen Zwiespalt mit einer arianischen Sonderkirche entweder von vornherein nicht kannten oder rechtzeitig zugunsten eines gemeinsamen Katholizismus überwunden haben. Das galt um 700 für alle drei auf dem europäischen Kontinent verbliebenen Reiche aus der Völkerwanderungszeit: die Herrschaft der im 7. Jh. weitgehend romanisierten Westgoten in Spanien, das Merowingerreich in Gallien mit einem fränkisch dominierten Norden und einem romanisch gebliebenen Süden sowie in Italien die Herrschaft der nur langsam assimilierten Langobarden, die sich indes nie auf der gesamten Apenninenhalbinsel gegen die Byzantiner Geltung verschaffen konnten. Daneben bestand auf dem Boden des einst römischen Britannien, jedoch mit deutlich schwächerem antiken Substrat eine Mehrzahl angelsächsischer Kleinreiche, die das Christentum nicht von der Vorbevölkerung übernommen, sondern von außen empfangen hatten.
Griechisches Römerreich
    Der Durchbruch des «gentilen Prinzips» infolge der germanischen Völkerwanderung betraf indes nur die westliche Hälfte des seit 395 dauerhaft geteilten Imperiums, während sich im Osten mit dem Zentrum Konstantinopel (Byzanz) der römische Kaiserstaat, wenn auch unter schweren Einbußen auf dem Balkan, zu behaupten wußte. Vollends seit dem Erlöschen des westlichen Kaisertums (476) nahm man am Bosporus die alleinige Kontinuität zu dem antiken Universalreich in Anspruch, das unter dem
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