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Alle Wege führen nach Rom

Alle Wege führen nach Rom

Titel: Alle Wege führen nach Rom
Autoren: Adalbert Seipolt
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sich weder durch
den ehrwürdigen Brunnen noch durch die hochwürdige Geistlichkeit am Lärmen und
Flirten hindern.
    »Ich glaube, wir brechen auf.« »Haben wir auch
nichts vergessen?« sagte der ordnungsliebende Birnmoser und schaute auf den
Stühlen nach.
    »Die Verlobung, Adam«, hauchte Eva leise.
    Sie standen alle wie angedonnert. Doch was half’s?
Noch einmal mußte Gino herbeigerufen, noch einmal ein Glas auf das Wohl der
Verlobten geleert werden. Dann zwängten sie sich durch die lärmenden Boys und
Girls die Treppe hinauf dem Ausgang zu. Gino hielt die Türe auf. Der Monsignore
und Birnmoser steckten ihm ein fürstliches Trinkgeld zu. »Grazie«, sagte er
darauf.
    Als Schwester Annaberta die Türe passierte,
blickten sie sich in die Augen, zum erstenmal an diesem Abend. Plötzlich
verbeugte sich Gino tief, ergriff ungestüm die Hand der Schwester, küßte sie
und stammelte: »Mille grazie, Suora, mille grazie!«
    »Nein, das ist mir ein schneidiger Kavalier!«
sagte Birnmoser lachend. Gut, daß die Schwester im Schatten stand, sonst hätte
er sie weinen gesehen.
    Alois, dem Primizianten, war nicht wohl, ihn
drängte es nach Hause. Seine Schwester steckte ihm eine Tablette in den Mund
und schlug vor, über den Petersplatz zu fahren, um die festlich beleuchtete
Peterskirche zu sehen.
    Gesagt, getan!
    Und so standen sie wenige Minuten später noch
einmal auf dem Platz, den Annaberta so liebte. Noch immer stürzten die Brunnen
himmelan und die Tropfen funkelten golden im Licht der Scheinwerfer und
Pechfackeln. Wie eine leuchtende Krone ruhte die Kuppel auf der Kirche. Und da war
es der Schwester, als wüchse der riesenhafte Bau in der Finsternis bis an die
Sterne — oder senkten sich die Sterne auf ihn herab? — , als breite er die
beiden Flügel der Kolonnaden wie Arme aus, um sie allen, allen Menschen auf der
Welt entgegenzustrecken und sie heimzuholen, alle, die guten Willens sind.
    »Der Himmel — der Himmel —« sagte Annaberta leise.
Nur Eva vernahm es, die neben ihr stand, und der müden Schwester den Arm
gereicht hatte.
    »Ja, und ich glaube, wir könnten ewig zuschauen,
und es würde uns nicht langweilig werden —«
    »Wie in der Heimat, wie zu Hause.«
    Als die ersten Fackeln an der Fassade verlöschten,
nahmen sie Abschied von Rom. Langsam schritten sie über den Platz zurück und
schwiegen, um die Brunnen noch singen zu hören.
    Am Hospiz angekommen, eilte Annaberta, so
erschöpft sie auch war, hurtig die Treppe hinauf in ihr Zimmer und fragte das
Mädchen der Pfarrjugend, eine Hausgehilfin, die inzwischen den Säugling betreut
hatte: »Hat sie geschrien?«
    Das Mädchen schüttelte den Kopf: »Immer noch
nicht.«
    Da war Annaberta tieftraurig. Gino hatte ihr wohl
vergeblich die Hand geküßt.
     

VIII Vom letzten
Gefecht zwischen Liebe und Gesetz oder
warum sie alle sangen: »Großer Gott, wir
loben Dich«
     
     
    Mit einer Pilgerfahrt ist es wie mit einer Geschichte,
und mit einer Geschichte wie mit einer Predigt: dauert sie zu lange, halten
sich die Zuhörer die Hand vor den Mund. Darum wollen wir es kurz machen.
Verschweigen wir also ruhig, daß Monsignore Schwiefele beim Abzählen seiner
Anvertrauten erst zwei zuviel, schließlich zwei zuwenig zählte, im Vertrauen
auf das arithmetische Mittel niemanden vermißte und erst in Orvieto merkte, daß
ausgerechnet die Jungfrau und Rentnerin Emerenz Obermair fehlte. Sie war vom
Bahnhof noch einmal zum Hospiz zurückgefahren, den Koffer voll geweihter
Rosenkränze und Kerzen zu holen, den sie vergessen hatte. Der Monsignore und
Kaplan Schlüter zerbrachen sich den Kopf, welche Hebel man bewegen müsse, um
der Ausreißerin wieder habhaft zu werden. Den Aufenthalt in Florenz wollten sie
benutzen, um eine Großfahndung einzuleiten. Doch wer stand dort freudestrahlend
am Bahnsteig? Emerenz Obermair. Sie hatte in Rom rechtzeitig den nächsten
Anschluß erwischt — in der Jugend hatte sie manchen verpaßt — und war mit dem
fahrplanmäßigen Rapido noch vor unserem Pilgerzug in Florenz eingetroffen.
    Monsignore Schwiefele atmete auf und sank sofort
in tiefen Schlaf. Im letzten Wagen hatte sich wieder die alte Gesellschaft
zusammengefunden. Eva Süß hatte neben Annaberta Platz genommen und half ihr,
die kleine Annaberta zu betreuen. Doch ihre Kenntnisse aus einem
Säuglingspflegekursus reichten genauso wenig wie die jahrzehntelange Erfahrung
der Schwester aus, um das absolute Silentium des armen Würmleins, das jedem
Trappisten Ehre gemacht
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