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2.01 Donnerschlag

2.01 Donnerschlag

Titel: 2.01 Donnerschlag
Autoren: Joachim Masannek
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Masten. Dann flammten drei davon kurzzeitig auf, und auch wenn nur die Hälfte der Scheinwerfer einen Herzschlag lang brannte, reichte ihr Licht, um uns die Wahrheit zu zeigen. Der Teufelstopf war ein Stadionwrack. Eine vergammelte, alte Ruine. Der Kiosk lag baufällig am löcherigen Zaun. Willis Wohnwagen war ein Haufen aus Rost, die Sofas auf der Tribüne stanken nach Schimmel und das Schild über dem Tor riss in diesem Moment von der Kette und fiel auf die schon vor Monaten in sich zusammengefallene Zugbrücke hinab. Danach war es still und die Nacht war noch dunkler.
    „Ähm“, räusperte sich April und stieß Erik an. „Ich glaube, wir meinen was anderes.“
    „Ja, wir sind hier falsch!“ Der Junge mit dem Pferdeschwanz schaute überlegen zu Marlon. „Das muss wohl ein Irrtum gewesen sein.“
    „Wie bitte? Was?“, stammelte Leons älterer Bruder und suchte den Blick des ihn so verzaubernden Mädchens. Doch die strafte ihn mit enttäuschtem Spott.
    „Kommt!“, sagte April. „Das gefällt mir hier nicht. Das riecht hier nach etwas, was es schon lang nicht mehr gibt. Das riecht hier zu sehr nach verlorenem Herzen!“
    Damit ließ sie die Wilden Kerle wie einen Haufen Erstklässler stehen und stapfte vor den anderen, die ihr folgten, durchs Tor. Sie trat auf das einstmals so stolze Teufelstopfschild, marschierte den Hügel hinauf und schob mich dort aus dem Weg.
    „Tja“, sagte Klette, die neben mir stand. „Ich wünsch dir viel Glück und vor allen Dingen wünsch ich dir Mut.“
    Dann folgte sie April und den anderen Wölfen und verschwand mit ihnen in der Nacht. So wie die Farben verschwinden, wenn das Licht ausgeht. Und mit dem Licht und den Farben verschwanden auch alle Geräusche. Es wurde so still, dass ich zu hören glaubte, wie das Gras um mich herum zu flüstern begann: „Euch gibt es nicht mehr! Euch gibt es nicht mehr!“
    Ich hielt mir die Ohren zu, doch das Gras wurde lauter. Es schrie jetzt verzweifelt und verächtlich zugleich.
    „Euch gibt es nicht mehr! Ihr habt euch verloren!“

DER FREESTYLE SOCCER CONTEST
    Der Empfang zuhause in Bogenhausen war nicht anders, als ich ihn erwartet hatte.
    „Du weißt, was zu tun ist!“, sagte meine Mutter trocken und schnörkellos und schaute dabei noch nicht einmal auf. Sie saß in ihrem Sessel im Wohnzimmer unserer Villa und las einfach weiter.
    Nichts als Liebe und Wind lautete der Titel des Buches. Schleimigelige Quallenpampe! Ja, meine Mutter war verrückt nach Liebesgeschichten. Und weil sie mich am meisten liebte, weil ich angeblich das Teuerste und Wertvollste war, was sie besaß, musste sie auch nichts weiter sagen. Der Rest stand nämlich in dem Brief, der liebevoll gefaltet und mit ihrem in Wachs gedrückten Hexenstern versiegelt in meinem Zimmer auf meinem Kopfkissen lag:
    Mein lieber Sohn Nerv!
    Wie du weißt, darfst du so viele Fehler machen, wie du nur willst. Durch die wird man klug. Genauso wie durch Regeln, die man sich traut, ungefragt und unerlaubterweise zu brechen. Aber man wird nur klug, wenn man auch bereit ist, die Konsequenzen dafür zu tragen, und wenn man seine Fehler wiedergutmacht. Und damit du das lernst, wirst du folgende Dinge erledigen:
    1. Du räumst dein Zimmer auf.
    2. Du bringst deine dreckige Wäsche nach unten und packst sie in die Waschmaschine.
    3. Du nimmst die Wäsche, meine Wäsche, aus dem Trockner, bügelst sie und legst sie ordentlich zusammen.
    Das sind die drei Dinge, mit denen du die drei Stunden wiedergutmachst, die du heute Abend zu spät gekommen bist. Aber dafür, dass das jetzt schon das dritte Wochenende hintereinander passiert, bekommst du ab morgen Hausarrest und das bis zum Ende der Ferien. Das ist beschlossen, besiegelt und jeder auch noch so zaghafte Versuch eines Widerspruchs verlängert den Arrest um einen Tag.
    Deine Dich fürsorglich liebende Mutter, die Du die Hexe von Bogenhausen nennst. ☺
    Huh. Die ersten drei Punkte waren die Pest. Sie dauerten ewig. Habt ihr schon mal Damenblusen gebügelt und daraufhin noch zusammengelegt? Das ist so, als wenn euch die Rolle Alufolie aus der Hand gleitet, über den Fußboden rollt und ihr dann versucht, sie wieder aufzuwickeln, ohne dass das Aluminium dabei zerknittert.
    Aber ich hab es geschafft. Teuflisch verzwickter Mikadoknoten! Ja, ich hab es geschafft, und um halb zwölf lag ich dann endlich im Bett. Ich lag in meinem Bett und wartete darauf, dass mir meine Mutter den Gutenacht-Kuss auf die Stirn drückte und mich danach lebendig
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