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2.01 Donnerschlag

2.01 Donnerschlag

Titel: 2.01 Donnerschlag
Autoren: Joachim Masannek
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DORNRÖSCHENSCHLAFTRÄUME
    „Das Leben ist ein langer ruhiger Fluss!“
    Das sagt meine Mutter immer, wenn die Pferde mit mir durchgehen und sie mich beruhigen will. Doch ich heiße Nerv, und das ist mein Schicksal:
    Meine Mutter ist die Hexe von Bogenhausen, und wenn das Leben ein langer ruhiger Fluss ist, bin ich eine Fliege. Eine Fliege, die mit ihren sechs Beinen, den Flügeln und ihrem allerwertesten Popo in einem Glas Honig feststeckt, während draußen vor ihrer Nase der Grizzlybär rockt.
    Also vergesst alles, was ruhig ist! Besonders den Fluss! Kommt mit mir mit. Lasst uns durch Stromschnellen raften und ein paar Wasserfälle hinabspringen. Lasst uns den rockenden Bär dabei als Kanu benutzen und das Leben in vollen Zügen genießen. Denn das ist es wert!
    Es sei denn, ihr zieht es vor, euer Dasein ab jetzt als heimliche Kopfkissenzipfellutscher unter der Bettdecke eurer Mutter zu fristen. Aber dort verpasst ihr dann das:
    Den Klassiker. Ich rede von dem Klassiker. Dem Klassiker der Klassiker in der Dimension 8, der Liga der wildesten Fußballmannschaft der Welt. Die Kerle gegen den Turnerkreis. Und das noch im Teufelstopf . Im Hexenkessel aller Hexenkessel. Im Herzen des Wilde Kerle Lands.
    Erinnert ihr euch etwa nicht mehr an die erste Saison? Ich meine den Tag, an dem der Turnerkreis im letzten Spiel der Hinrunde die beste Mannschaft der Welt mit vier zu drei besiegte. Als er sie für immer und ewig und sechs unaufholbare Punkte zurück auf den zweiten Platz verbannte. Nein? Dann lasst euch das mal von Raban erzählen. So wie er es mir erzählt hat. Als die stahlgrauen Spieler die Sturmwolken hinter sich herzogen, um mit ihnen den Indianersommerhimmel über dem Teufelstopf zu verbarrikadieren.
    Oder fragt Rocce über die Revanche im Betonkrater am Rande der Stadt. Im Novemberwindstadion des Turnerkreises, in dem die Wilden Kerle die Stahlgrauen gleich zweimal besiegten. Einmal mit und einmal ohne Annika. Die Drachenreiterin, die damals als vierzehntes und letztes Mannschaftsmitglied zu den Kerlen stieß und die ihnen nicht nur zur ersten Meisterschaft, sondern auch zu den legendären Schwungradturbos an ihren noch legendäreren Fahrrädern verhalf.
    Genau dieser Turnerkreis fegte jetzt durch den Teufelstopf und blies den Wilden Kerlen um Leon, den Slalomdribbler, Torjäger und Blitzpasstorvorbereiter, und seinem um ein Jahr älteren Bruder Marlon, der Nummer 10, die Staubkörner ins Gesicht. Doch die beiden liebten den Sturm. So wie Vanessa ihn liebte, wenn sie weit auf Rechtsaußen ihre langen Karibik-Sonnenuntergangs-Haare als Kometenschweif hinter sich herzog. Wenn Juli „Huckleberry“ Fort Knox, die Viererkette in einer Person, seine Mütze festhalten musste, aus deren von tausend Spielen gegerbtem Schirm schon der Pappendeckel hervorzulugen begann. Wenn Maxi „Tippkick“ Maximilian, der Mann mit dem härtesten Bumms der Welt, seinen Trippel M. S., den Mega-Mörser-Monster-Schuss gegen den Wind stellte. Und wenn Raban, der Held, – so wie jetzt – Maxis Steilpass dann folgte. Wenn er, der längst keinen falschen Fuß mehr besaß, von links in den Strafraum des Turnerkreises stieß. Wenn er das Leder dort mit dem Hinterkopf auf den Elfmeterpunkt lenkte, auf dem Leon schon wartete. Und der drehte sich jetzt mit dem Rücken zum Tor. Er hob seine Arme wie Adlerschwingen. Sie fingen den Wind ein und auf ihm erhob sich die Nummer 13 hoch in die Luft. Er holte entschlossen mit dem linken Bein Schwung und riss dann mit dem rechten die Sturmwolken auf, indem er den Ball mit einem Briefmarken-Besenschrank-Fallrückzieher in den linken Winkel katapultierte.
    Ich sprang von der Sessellehne auf das rote Plüschsofa und schlug dabei einen Salto rückwärts. Ich streckte die Arme aus. Ich ballte die Fäuste. Ich schrie: „Heiliger Santa und Panther im Krumpenkrautrüben gekrächzten Muckefuckhimmel!“ Ich war hundeglücklich. Ich lag auf dem Rücken und strahlte als einziger Zuschauer auf der aus Sesseln und Sofas gebauten Tribüne durch die aus dem Polster gesprungene Feder aufs Spielfeld hinab. Dort feierten meine Idole das drei zu null. Verflixt, ihr habt richtig gehört. Es stand, Schwarz gegen Stahlgrau, drei zu null, und das nach gerade mal sieben Minuten.

    Ja, und es ging direkt weiter. Markus, der Unbezwingbare, fischte den Fernschuss des verzweifelten Turnerkreisspielmachers aus dem oberen Eck. Er rollte im Fallen ab, sprang sofort auf und dachte gar nicht daran, einen auf
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