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2.01 Donnerschlag

2.01 Donnerschlag

Titel: 2.01 Donnerschlag
Autoren: Joachim Masannek
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„Oh-hab-ich-da-gerade-eben-nicht-echt-cool-gehalten“ zu machen. Sondern er warf den Ball sofort in den Lauf der nachtschwarzen 99, und Raban war wieder einmal mein Held. Mit einer simplen Körpertäuschung ließ er den ersten Stahlgrauen links an sich vorbei ins Seitenaus taumeln. Den zweiten verwandelte er mit einem doppelten Übersteiger und einem rotzfrechen Durch-die-Beine-Tunnelpass in einen tasmanischen Teufelskreisel, der schwindelig und belämmert zuschauen musste, wie Rabans Pass Leon erreichte.
    Der Mittelstürmer der Kerle wurde vom Sohn des Turnerkreistrainers verfolgt. Doch bevor dieser über die Dimension 8 hinaus bekannte Knochenbrecher Leons Beine wegsäbeln konnte, kickte der den Ball mit der Hacke. Er sprang über die Sensenbeine seines Gegners hinweg und zog gleichzeitig den Kopf ein. So konnte Marlons Pass über ihn hinwegsausen und zu Vanessa gelangen.
    Die Unerschrockene rannte auf rechts. Sie erwischte den Ball an der Eckfahne volley und drosch ihn in den Rücken der Turnerkreisabwehr. Die schlidderte sechsbeinig über den sandigen Boden und sah aus schreckgeweiteten Augen Maxi „Tippkicks“ Meisterwerk. Der traf den Ball aus vollem Lauf und donnerte ihn vom Rand des Sechseners wie an der Schnur gezogen zwei Staub aufkräuselnde Fingerbreit über den nicht mehr vorhandenen Rasen aufs Tor. Dort barsten die Fäuste des stahlgrauen Keepers. Sie lenkten den Ball gegen den rechten Pfosten und von da prallte die Kugel zurück gegen die Nase des Torwarts. Der schrie vor Wut auf und wurde dann wehrlos und blutbeschmiert Zeuge, wie das eirig spinnende Leder über die Linie torkelte.
    „Vier zu nuuuhhhhl!“ Ich tanzte vor Freude auf dem Sofa. „Hey Willi! Hast du das gerade gesehen? Das war barcelonisch-sommermärchenhaft-schön!“ Ich hüpfte über drei Sessel hinunter zu ihm an den Spielfeldrand: „Und das ist der Turnerkreis. Das einzige Team, das uns in der Dimension 8 noch gefährlich werden kann.“
    Ich strahlte ihn an: Willi war der beste Fußballtrainer der Welt. Auch wenn er nicht immer so aussah. Und das war ganz besonders heute der Fall. Sein Hut war zerknittert, als hätte er ihn in der Nacht als Kopfkissen benutzt. Das rot-weiß gepunktete Hemd hing ihm aus der Nadelstreifenhose. Die weißen Punkte hatten sich hinter kaffeebraunen Flecken versteckt und die Zehen lugten dafür vorn aus den Schlangenlederstiefeln heraus.
    „Hey Willi! Das war ein Triple M.S., wie er im Lehrbuch steht!“, rief ich und tanzte um den Trainer herum.
    Doch meine Wilden Kerle ließen mir dafür nicht viel Zeit. Vanessa köpfte den Ball, noch während ich „Lehrbuch“ sagte, zum fünf zu null ein. Und als ich deshalb vor Freude über die 13 Sofas und 15 Sessel der Haupttribüne wie über Trampoline hüpfte, erhöhten Juli und Marlon auf sechs und sieben.
    Beim rockenden Grizzly! Das war mein Team, und mein sehnlichster Wunsch war es, einmal einer von ihnen zu werden. Versteht ihr das alle? Davon träumte ich jede Nacht und das jetzt schon seit anderthalb langen Jahren. Ich fläzte mich in einen Sessel, streckte vergnügt die Beine aus und sah dabei zu, wie die Kerle verschnauften. Sie schraubten das Tempo etwas herunter, sodass es zur Pause „nur“ elf zu null stand. Aber vielleicht hatte Willi noch mehr Tore erwartet. Denn als Edgar, der Pinguin, der Butler von Markus’ Eltern und das Ehrenmitglied der Wilden Kerle e.W., die zweite Halbzeit anpfiff, lag der beste Trainer der Welt schnarchend im Schaukelstuhl vor seinem Kiosk. Der stand in der hintersten Ecke des Teufelstopfes und duckte sich dort alt und baufällig an den Bretterzaun, der das Stadion wie eine windschiefe und löcherige Zahnreihe umschloss.

DER SEITFALLFLUGVOLLEY-
DAMPFHAMMER-BOOSTER
    „Hey Marlon!“, rief Leon und grinste seinen um ein Jahr älteren Bruder an. „Hörst du das Sägewerk? Willi wird alt!“
    Das Schnarchen ihres Trainers ließ die Planken im losen Bretterzaun zittern, und als Marlon das sah, wurde er für einen Augenblick ernst. Seine Augen verdunkelten sich, wie sich die Sonne verdunkelt, wenn sich eine erste Gewitterwolke, die sich klammheimlich über den sonst so blauen Himmel geschlichen hat, plötzlich vor sie schiebt.
    Für einen Moment sah er den Teufelstopf nicht mehr als das stolze Stadion, sondern als eine langsam in sich zusammenfallende, alte Ruine. Ihm schien es, als hätte er eine böse Vision. Eine schreckliche Eingebung. Doch dann lief Vanessa an ihm vorbei und das strahlende Lächeln in ihren
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