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2.01 Donnerschlag

2.01 Donnerschlag

Titel: 2.01 Donnerschlag
Autoren: Joachim Masannek
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reichte, und sauste auf der anderen Seite in den Wilden Wald . Ich kannte den Weg zur Gespensterbrücke. Dort sprang ich aus dem Sattel, lief durch das Fauchende Tor und stoppte abrupt, als ich die alte Fabrikhalle betrat. Die Geheimhalle der Wilden Kerle war keine Geheimhalle mehr. In ihr brannten Feuer, und um diese Lagerfeuer trainierten die, die ich suchte: die Wölfe von Ragnarök. Wer immer das war.

    „O-ho und o-ha!“, versuchte ich mich zu beruhigen. Denn die acht Jungen und Mädchen sahen jetzt aus wie ihre Tattoos oder die mit Fellen geschmückten Quads, die wie Monster aus einem Science-Fiction-Film im flackernden Halbdunkel der Halle schliefen. Sie trugen Brust- und Rückenpanzer aus rotbraunem Leder, dazu Protektoren an Handgelenken, Ellenbogen und Knien und ihre Köpfe schützten Wolfsschädelhelme, die vor den Gesichtern aus Reißzähnen geformte Visiere besaßen. Doch das war nicht alles, was mir imponierte. Das Training der Wölfe wirkte auf mich wie ein Tanz. Ein Parcoursläufertanz, wenn ihr versteht, was ich meine. Zum Rhythmus ihrer Schritte sprangen sie durch die Halle, liefen an den Wänden entlang, schwangen sich um Säulen und Balken und spielten sich dabei den Ball volley zu. Doch dann rutschte Klette die fellbezogene Kugel vom Fuß. Sie flog in die dunkle Höhe des Daches und schoss dort mit einer klirrenden Explosion eine schon seit Jahren nicht mehr leuchtende Lampe vom Deckenbalken.
    „Uhps!“, erschrak Klette und dann musste sie grinsen. „Das war wohl die Baustrahlerflutlichtanlage.“
    Sie lachte amüsiert über ihren Witz und die Wölfe lachten mit ihr.
    „Willkommen bei der wildesten Fußballmannschaft der Welt. Aber bitte, oh, bitte erschreckt sie nicht, hört ihr! Und atmet auch ja nicht zu heftig aus! Denn sonst könnte es sein, dass sie noch vor dem ersten Ballkontakt aus lauter Altersschwäche zu Staub zerfallen!“
    „Na, warte!“, fauchte ich wütend hinter den Kisten am Eingang der Halle, hinter die ich bei meiner Ankunft gesprungen war. „Na warte!“ Ich platzte vor Wut. Doch am wütendsten war ich über mich selbst: weil ich so feige war und mich vor ihnen versteckte. Aber so erfuhr ich zumindest, was ich wissen wollte.
    „Ich kann es immer noch nicht kapieren!“, setzte Klette ihre Spottrede fort. „Da leben die Kerle im Wilden Land und haben nicht die leiseste Ahnung, was unter ihnen alles passiert. Sie wissen noch nicht einmal, dass es Donnerschlag gibt.“

    Ich zuckte bei diesem Namen erschrocken zusammen und trat dabei – Dämlack-belämmerterweise – gegen eine Flasche, die vor mir am Boden stand. Sie wackelte, kippte und würde mich gleich definitiv und scheppernd verraten. Da packte ich sie im letzten Moment. Es war wieder still. Das heißt, es war absolut still, und in dem Flackern und Knistern der Feuer drehten sich alle Wölfe zu mir um. Sie fixierten die Kisten, hinter denen ich mich versteckte, und April kam sogar auf mich zu.
    „ Donnerschlag , ja“, wiederholte sie lächelnd. „Das Stadion der Stadien. Der Tempel des Freestyle Soccer Contests. Er liegt hier verborgen im Wilden Land . Doch die, die hier leben, wissen es nicht. Sie gehören nicht dazu. Sie sind kein Teil dieser Liga. Der Liga der Champions. Der Besten der Welt.“
    Ich starb fast vor Angst. Da blieb April stehen. Vielleicht drei, höchstens vier Meter vor meinem Versteck. Sie musterte noch einmal die drei alten Kisten, dann drehte sie sich zu ihren Leuten zurück.
    „Aber so ist das“, seufzte sie provozierend, „wenn man die Zeit verschläft. Die Welt dreht sich weiter, und plötzlich ist man nicht mehr dabei. Man wacht morgens auf und stellt puterrot fest, dass man noch immer in den Kinderhort geht. Und das, obwohl man schon 13 ist.“
    Sie lachte amüsiert und die Wölfe taten dasselbe.
    „Aber vielleicht ist das ja auch ihr sehnlichster Wunsch. Ich meine, dass sie schlafen und nicht mehr aufwachen wollen. Dann können sie träumen und keiner von ihnen muss sich mehr schämen. Ich meine, schämen dafür, dass sie nichts mehr riskieren. Und wer nichts riskiert, kann auch nichts mehr verlieren: außer den Mut, den Stolz und die Würde. Doch wer braucht so was schon?“, lachte April uns aus, und mich hielt es vor Zorn und Wut nicht mehr hinter den Kisten. Ich vergaß meine Angst und sprang in die Halle.

    „Wir schlafen nicht, hört ihr! Wir sind keine Träumer. Wir sind stolz und mutig, und was die Würde betrifft, reden wir gern mit euch, sobald wir erst einmal mit
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