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12 - Die Nadel der Götter

12 - Die Nadel der Götter

Titel: 12 - Die Nadel der Götter
Autoren: Oliver Fröhlich
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dreißig, Geheimratsecken, gehetzter Gesichtsausdruck. Er würdigte sie keines Blickes und wollte an ihnen vorbeieilen, doch McDevonshire stellte ihm seine imposanten annähernd zwei Meter in den Weg.
    »Commissioner McDevonshire von Interpol.« Er reckte dem Neuankömmling etwas entgegen, was genauso gut ein Führerschein hätte sein können. Um eine Dienstmarke handelte es sich jedenfalls nicht, denn der Polizist war seit einigen Tagen suspendiert. »Wo werden die Kollegen vom Räumkommando erwartet?«
    Der Mann stutzte nur kurz. »Beim Zugangsgebäude zum Beschleuniger.« Er deutete in den Nebel. »Zwei-, dreihundert Meter in diese Richtung. Ein Flachbau. Dr. Germaine wartet davor auf Sie.«
    »Dr. Germaine?«
    »Der Institutsleiter.«
    »Nicht gut«, sagte McDevonshire, nachdem der CERN-Beschäftigte außer Sicht – also etwa fünf Schritte entfernt – war. »Dem werden wir kaum vormachen können, dass wir die Vorhut bilden.«
    Tom scherte sich nicht darum und setzte sich in Bewegung. »Wenn uns keine andere Möglichkeit bleibt, müssen wir ihn zwingen, dass er uns begleitet.«
    »Das ist doch aussichtslos«, widersprach McDevonshire. »Das echte Räumkommando kann jeden Augenblick eintreffen. Wenn wir auf dem Rückweg den Kollegen in die Arme laufen …«
    »Mag sein, aber uns bleibt keine andere Wahl!«
    »Ich fürchte, uns bleibt nicht einmal diese.« Der Ex-Commissioner wies in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Wie ein Ungetüm rollte ein Panzerwagen aus dem Nebel und an ihnen vorbei.
    »Hinterher!«, rief Tom. »Vielleicht gibt es doch noch eine Möglichkeit.«
    Doch er wusste, dass er mit diesen Worten nur die bittere Wahrheit leugnen wollte. Und die lautete: Sie waren zu spät gekommen!
    ***
    Didier Buiel konnte die Augen kaum noch offen halten. Seit Tagen fuhr er Doppelschichten und trug so dazu bei, die Lücken wenigstens einigermaßen zu schließen, die verantwortungslose Kollegen in Erwartung einer drohenden Katastrophe hinterließen.
    »Welchen Sinn soll es haben, hier in Genf die Ordnung aufrechtzuerhalten, wenn ein paar Wochen später ein Komet die ganze Welt vernichtet?«, fragten die einen.
    »Warum einzelnen Verbrechern nachspüren, wenn wir doch bereits alle zum Tode verurteilt sind?«, fragten andere.
    Und mancher, der seine letzten Tage lieber mit der Erfüllung tiefster Wünsche ohne Angst vor Konsequenzen verbrachte, verspottete die pflichtbewussten Kollegen: »Ihr würdet ja sogar den Kometen verhaften, wenn ihr könntet!«
    Buiel musste zugeben, dass ähnliche Gedanken auch ihn zuweilen lockten, die Brocken hinzuschmeißen. Wen scherten AIDS, Gefängnisstrafen und ein leeres Portemonnaie, wenn in ein paar Wochen der große Gleichmacher alle von diesen Sorgen befreite?
    Dennoch widerstand er der Versuchung. Gerne redete er sich ein, das liege an seinem Pflichtbewusstsein. Zugleich war er sich aber bewusst, dass eher seine Angst dafür verantwortlich war. Vielleicht schlug der Komet doch nicht ein. Dann wollte er vor seinen Vorgesetzten nicht als unzuverlässig dastehen oder gar seinen Job verlieren.
    Außerdem lenkte Arbeit ungemein gut von dem ab, was womöglich auf die Menschheit zukam.
    Während er mit seinem Team im Ladebereich eines gepanzerten Einsatzfahrzeugs CERN entgegenschaukelte, fragte er sich trotzdem, warum er sein Leben mit der Sicherung einer Bombe riskierte. Wieso sollte er seine vielleicht letzten Tage aufs Spiel setzen, um die von anderen zu retten?
    Du bist müde. Reiß dich zusammen und konzentriere dich auf den Einsatz!
    Ein kurzes Rütteln des Panzerwagens riss Didier Buiel aus den Gedanken. Er musste für eine Sekunde weggenickt sein. Keines der Teammitglieder schien es bemerkt zu haben. Die Gesichter hinter den Kunststoffvisieren der kopfumschließenden Helme wirkten ausgezehrt. Seine Männer waren mit den Kräften genauso am Ende wie er selbst.
    Das Einsatzfahrzeug rollte ein paar Meter rückwärts, dann erklang die Stimme vom Fahrersitz: »Wir sind da!«
    Dennis Czaschek, der Einsatzleiter, klappte die Hecktür auf und gab die Sicht frei auf ein flaches Gebäude. Genau genommen gab er die Sicht auf ein paar Nebelschwaden frei, hinter denen man ein flaches Gebäude erahnen konnte.
    »Lafayette!«, rief er dem Fahrer zu. »Sie und Gaboriau bleiben hier und sichern den Laden von außen!«
    Normalerweise hätte ein gesonderter Trupp sie für diese Aufgabe begleitet. Da aber zu viele Kollegen mit Dingen beschäftigt waren, die unter normalen Umständen AIDS,
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