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1086 - Der Vampir und der Engel

1086 - Der Vampir und der Engel

Titel: 1086 - Der Vampir und der Engel
Autoren: Jason Dark
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vorkommen, wahnsinnig lang, und sie war nicht mehr allein im Abteil.
    Hatte es Sinn, wenn sie den Koffer schnappte und in ein anderes Abteil ging?
    Sie glaubte es nicht. Sie traute diesem verfluchten Blutsauger alles zu. Er würde sie nicht mehr aus den Augen lassen. Er würde sie verfolgen, hinter ihr her sein, und es gab innerhalb des Zugs keinen Platz, an dem sie sich verstecken konnte.
    Aussteigen? Die Reise unterbrechen? Das wäre eine Möglichkeit, doch auch sie konnte nicht optimal sein. Wenn der andere sie haben wollte, dann würde er sie auch bekommen.
    Ihr Fazit sah nicht gut aus. Sie war völlig auf sich allein gestellt. Und zugleich in einem rollenden Sarg gefangen.
    Nein, eine Hoffnung hatte sie. Es war der fremde Mann, der ihr hatte behilflich sein wollen. Bill Conolly hieß er. Den Namen hatte sie behalten und sie wußte auch, daß sie ihm vertrauen konnte. Er würde ihre Lage nicht ausnutzen, das sagte ihr einfach das Gefühl. Da kannte sich Estelle aus, denn mit Menschen hatte sie schon die entsprechenden Erfahrungen gemacht.
    Der Zug hielt an. Ein letzter Ruck, den sie nur unvollkommen ausgleichen konnte. Sie hielt sich noch fest, öffnete den Mund und atmete tief durch. Wieder war das Gefühl der Angst da. Die Geräusche außerhalb der Kabine hatten sich verändert. Türen öffneten sich. Schritte im Gang, die sehr schnell an der Toilettentür vorbeigingen.
    Der Vampir war also nicht dabeigewesen. Ezra hätte sie auch suchen können. Sie hätte sich nicht gewundert, wenn er plötzlich außen gegen die Tür geschlagen oder heftig an der Klinke gerüttelt hätte.
    Die Stimmen lösten sich auf. Sie schienen in einer fremden Welt zu verschwinden. Türen klappten automatisch zu. Irgendwo erklang ein Pfiff, wenig später setzte sich der Zug wieder in Bewegung.
    Es war nur ein kurzer Stopp gewesen, und sie wußte nicht einmal, an welchem Bahnhof der Zug angehalten hatte.
    Es war letztendlich egal. Für sie zählte der Termin am nächsten Tag in London. Dort wartete man in der Agentur auf sie. Wenn sie dieses Date versäumte, gab es Ärger. Auch Supermodels konnten sich nicht mehr alles erlauben, und zur allerersten Kategorie gehörte Estelle noch nicht. Sie kämpfte in der zweiten Reihe, und es war ein verflucht stressiger Job.
    Noch hatte sie keinen Blick in den Spiegel werfen können und hatte auch gar nicht das Verlangen danach gespürt. Als sie es tat, geschah dies rein automatisch, und wieder sah sie ihr Gesicht.
    Ihr Gesicht?
    Diese Frage schoß kochendheiß in ihr hoch! Ja, es war, es mußte einfach ihr Gesicht sein. Aber es erschien ihr fremd. Es wirkte steinern. Wie das einer von einem Bildhauer geschaffene Figur. Sehr scharf zeichnete es sich in der rechteckigen Fläche ab. Allerdings nicht lange, denn das Phänomen trat wieder ein.
    Obwohl Estelle nicht zurückgegangen war, zog sich das Gesicht innerhalb des Spiegels zurück. Ein Phänomen, das sie hinnahm, mit dem sie aber nicht fertig wurde.
    Die Klarheit verschwand. Es wurde milchig oder wie von einem Vorhang übergossen. Alles änderte sich. Die Augen verloren ihre Farbe. Zwar blieben sie, doch ohne Leben.
    Totenaugen…
    Sie kämpfte gegen den seelischen Schmerz. Dieses Gesicht - ihr Gesicht - wirkte nun so wie das einer Toten. Als hätte man ihr einen Blick in die Zukunft gegönnt, damit sie schon jetzt sehen konnte, wie sie als Tote einmal aussah.
    Estelle hörte sich selbst atmen. Sie merkte die andere Kraft, die an ihr zerrte. Nicht nur die kleine Kabine war ein Gefängnis geworden, auch der Spiegel ließ sich damit vergleichen, und er zog ihr Gesicht immer weiter an.
    Jetzt erlebte sie das gleiche Phänomen wie schon einmal, als sie auf eine Scheibe geschaut hatte.
    Die Klarheit verschwand. Die Fläche des Spiegels übernahm die Kontrolle, und ihr Gesicht tauchte einfach ein, als gäbe es einen tiefen Hintergrund.
    Estelle drehte sich weg. Sie war mit den Nerven fertig. Schwere Glieder hingen an ihrem Körper.
    Sie wußte nicht, was mit ihr geschehen war, und warum das alles passierte. Auf dem Fußboden schien sich ein Kreisel zu drehen, in den auch sie hineingeriet. Zwangsläufig mußte sie die Arme ausstrecken, um sich festhalten zu können.
    Sie war sich selbst fremd geworden, und sie sagte sich, daß sie ein Geheimnis in sich trug. Erst heute hatte sie davon richtig erfahren, aber dieser Ezra York hatte es möglicherweise sogar gewußt, und so konnte ihr Zusammentreffen bewußt gelenkt worden sein.
    Niemand war in der Lage, in das
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