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1086 - Der Vampir und der Engel

1086 - Der Vampir und der Engel

Titel: 1086 - Der Vampir und der Engel
Autoren: Jason Dark
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zurückzulegen, um sie zu erreichen.
    Estelle Crighton schreckte aus ihren Gedanken hoch.
    Jemand hatte die Tür aufgerissen. Sie drehte den Kopf - und sah den Mann!
    ***
    Das war ein solcher Augenblick wie ihn sich Estelle gewünscht hatte. Sie blieb sitzen wie eine Tote, das blasse Gesicht verlor noch mehr an Blut. Sie hoffte, den anderen normal anschauen zu können, und nur mit Mühe unterdrückte sie das Zittern.
    Er stand noch immer in der Tür. Wie hineingedrückt. Er füllte den Raum aus. In seiner Kleidung kam er Estelle vor wie ein düsterer Todesbote, der die Gefilde der Hölle verlassen hatte, um auf der Erde abzurechnen.
    Der Mann war groß. Durch die schwarze Kleidung wirkte er noch kompakter. Der lange Mantel reichte ihm bis über die Waden hinweg. Er hatte ihn nicht geschlossen, und sie erkannte, daß er darunter einen grauen Pullover und eine graue Hose trug. Ein Gepäckstück besaß er nicht. Dies wiederum gab ihr die Hoffnung, daß er bald ausstieg, wobei nichts darauf hindeutete.
    Der Fremde schaute sich um mit einem Blick, der gleichgültig über Estelle hinwegstreifte. Das Haar war ebenfalls dunkel und glatt nach hinten gekämmt, wobei er es an den Seiten bis zu den Ohren hin gekämmt hatte, damit die Spitzen dort aufliegen konnten.
    Er sah sehr männlich aus mit seiner hohen, jetzt etwas angekrausten Stirn, der geraden Nase, die am Beginn der unteren Stirn wie eine Kuhle eingedrückt war und erst dann richtig hervortrat, um über einem breiten Mund mit etwas weichen Lippen zu enden. Die Schatten auf den Wangen ließen auf einen Bartansatz schließen. Vom Alter her war er schlecht zu schätzen. Er mußte zwischen 30 und 40 sein.
    Für Estelle war die Zeit stehengeblieben. Sie wußte, daß nur Sekunden vergangen waren, die ihr vorkamen wie lange und auch bange Minuten. Der Neuankömmling benahm sich nicht anders wie jeder andere Reisende auch. Er schickte ihr ein flüchtiges Lächeln entgegen und erkundigte sich, ob die restlichen Plätze noch frei wären.
    Am liebsten hätte Estelle ein »Nein« geschrieen, aber sie konnte einfach nicht ablehnen, und so nickte sie.
    »Danke, das ist gut.«
    Seine Stimme klang leise und irgendwo auch angenehm, aber Estelle mochte sie trotzdem nicht.
    Was sie störte, wußte sie nicht. Unter halb geschlossenen Augen beobachtete sie jede Bewegung des Mannes, der sich leider nicht in die Nähe der Tür oder auf einen Mittelplatz setzte, sondern ihr gegenüber am Fenster Platz nahm.
    Die junge Frau zog die Beine unwillkürlich an. Sie wollte den Fremden nicht berühren, der seinerseits die Beine ausstreckte, sie allerdings nach rechts in den Gang stieß, so daß sie sich wirklich nicht berührten.
    Estelle Crighton hielt die Hände übereinander und in ihren Schoß gelegt. Auch hatte sie den Kopf gesenkt, um dem Mann nicht ins Gesicht schauen zu müssen.
    Doch sie wußte, daß sie beobachtet wurde, auch wenn sie den Mann nicht anschaute. Das sagte ihr das Gefühl. Sie spürte seinen Blick auf ihrem Körper brennen, und sie traute sich nicht, den Kopf zu heben.
    Sie fühlte sich unwohl. Wie von kalten Eiskörnern gestreift. Ihre Gedanken jagten sich, ohne daß sie es schaffte, sich konzentrieren zu können. Sie wollte nicht mehr in ihrem Abteil bleiben und im Speisewagen verschwinden.
    Sie fand jedoch nicht den Mut dazu. Die Anwesenheit des Fremden bannte sie auf ihren Platz, und dieses verdammte Frösteln blieb ebenfalls.
    »Fahren Sie weit?«
    Die Stimme war da, und Estelle ärgerte sich, daß sie zusammenschrak. Jetzt mußte sie ihn anschauen, was sie auch tat. Der Mann saß lässig auf seinem Platz, und sie glaubte jetzt, ein spöttisches Lächeln auf seinen Lippen zu sehen. Die Augen starrten sie an. Es waren Augen, die Estelle nicht mochte.
    Sie fand den Blick sezierend, als wollte er sie nicht nur anschauen, sondern noch tief hinein in ihre Seele gleiten, um dort geheime Kammern zu öffnen.
    »Nein - ja, oder doch. Wie man's nimmt.«
    Das Lächeln nahm an Spott zu. »Was denn nun?«
    Estelle fühlte sich wie unter Zwang. »Bis London«, flüsterte sie.
    »Das ist nett.«
    »Wieso?«
    »Wir haben den gleichen Weg.« Er bewegte seinen Mund wie jemand, der kaut. »Dann haben wir noch eine lange Reise gemeinsam vor uns. Das freut mich.«
    »Warum das denn?«
    »Ich freue mich über Gesellschaft.«
    Sie schluckte. »Aber… aber Sie kennen mich gar nicht. Ich weiß nicht, ob ich so unterhaltsam für Sie sein werde.«
    »Bestimmt!«
    Estelle verfluchte die Sicherheit
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