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074 - Die mordenden Leichen

074 - Die mordenden Leichen

Titel: 074 - Die mordenden Leichen
Autoren: John E. Muller
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natürlichen oder unnatürlichen Todes starb. Aber was auch immer die Ursache war, unsere Neugier macht ihn auch nicht mehr lebendig. Warum lassen wir also die Sache nicht auf sich beruhen?“
    „Ihr Verhalten ist meines Erachtens nicht nur unfruchtbar, sondern nachgerade gefährlich“, entgegnete Fenner. Er setzte seine Kaffeetasse hart auf den Tisch und blickte herausfordernd in die Runde.
     

     
    Der Morgen war dämmerig und wolkenverhangen angebrochen, doch der Wind und der strömende Regen hatten aufgehört. Von den Bäumen tropfte noch in steter Monotonie das letzte Regenwasser.
    „Gefährlich?“ fragte Kennaway erstaunt. „Wie kommen Sie darauf, Doktor?“
    „Guter Gott! Mann! Können Sie denn nicht begreifen? Begreift denn keiner von euch? Ich habe Pendrake vor seinem Tode gesehen. Ich besuchte ihn jeden Tag an jenem abscheulichen Ort, und jedesmal fühlte ich das Böse lauern. Auch wenn ich Arzt bin und man von mir rein wissenschaftliches Denken erwartet, konnte ich es dennoch fühlen.“
    Chambers, der neben Fenner saß, beugte sich in seinem Sessel vor. Das kaum wahrnehmbare Lächeln, das noch vor wenigen Minuten um seine Lippen gespielt hatte, war nun dem Ausdruck äußerster Furcht gewichen.
    Kennaway nagte an seiner Unterlippe. „Sind Sie sich dessen ganz sicher, Doktor?“
    „Selbstverständlich!“ Fenners Stimme klang gereizt. „Haben Sie es nicht alle schon einmal oder mehrmals gefühlt? Gestern, auf dem Friedhof, da war es doch auch zu spüren. Jeden Nachmittag, wenn ich zu Pendrake hinaufging, war es da, wurde stärker und bösartiger. Grosser! Sie waren doch, so viel ich weiß, schon dreimal oben im Schloß. Sie müssen es doch auch gefühlt haben.“
    Der Dicke nickte bedächtig. „Ich weiß, was Sie meinen, Doktor. Ich bin auch ganz Ihrer Meinung, und doch glaube ich, daß es für uns gefährlich sein könnte, jetzt, nach Pendrakes Tod, dieses Etwas herauszufordern.“
    „Schön, Grosser.“ Fenner ließ seinen Blick rund um den Tisch wandern, bis er an Chambers hängen blieb. „Sie sind der Mann, der sich am besten auskennt, Paul. Was denken Sie über die Sache?“
    Chambers biß hörbar auf das Mundstück seiner Pfeife und betrachtete Fenner durch die dichte Rauchwolke hindurch. „Ich wünschte, ich könnte Ihnen Genaueres darüber sagen, John. Sie leben jetzt seit ungefähr drei Jahren unter uns und haben in diesen Jahren einige der Legenden kennengelernt, die hierorts erzählt werden. Vergangene Nacht versuchte ich, Sie noch ein wenig tiefer in die Materie einzuführen.“ Ein zaghaftes Lächeln stahl sich auf seine Lippen. „Es gibt einen Punkt in dieser ganzen Geschichte, auf den ich im Laufe meiner Untersuchungen gestoßen bin. Ein Punkt, der mich schon die ganze Zeit beschäftigt und mich vor Rätsel stellt.“
    Kennaway rückte gespannt näher. „Das wäre?“
    „Wenn die Berichte stimmen, starben die letzten de Ruys vor drei Jahrhunderten. Als aber die Dorfbewohner damals an einem kalten Dezembermorgen im Jahre 1651 in das Haus drangen, fanden sie Henry de Ruys noch am Leben, während sämtliche anderen Familienmitglieder tot waren, und das, was ihren Tod verursacht haben mochte, schien nicht von dieser Erde zu sein.“
    „Bitte fahren Sie fort“, bat Fenner, als Chambers schwieg, um sich mit seiner Pfeife zu beschäftigen.
    „Die letzten Worte, die Henry de Ruys sagte, waren so eine Art Prophezeiung. Er sagte, es würde dereinst ein de Ruys auf das Schloß zurückkehren, und dann würde alles Grauen und aller Schrecken von neuem entfesselt werden.“
    „Ein weiterer de Ruys? Das ist doch unmöglich! Nachdem die letzten jener verfluchten Familie vor dreihundert Jahren starben, kann es keinen de Ruys mehr geben!“
    „Ich weiß. Das ist es, worüber ich mir die ganze Zeit den Kopf zerbreche.“
    „Vergessen Sie’s, Paul. Kommen Sie mit mir und sehen Sie sich das Schloß einmal aus der Nähe an. All die Jahre, seit Sie hier sind, um die alten Legenden zu studieren, die sich um die Familie de Ruys ranken, waren Sie noch kein einziges Mal in dem Haus, in dem sie lebten.“
    „Ich könnte nicht behaupten, daß ich scharf drauf bin“, erklärte Chambers. Er nippte langsam an seiner zweiten Tasse Kaffee und sog ab und zu an seiner Pfeife. „Wenn es nach mir ginge, würde ich, wie vorhin Grosser, sagen: Lassen wir die Finger davon. Meiden wir jenen Ort. Wenn man aber der Sache auf den Grund gehen will, und Sie, Doktor, bis heute noch nicht klar sehen, woran
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