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074 - Die mordenden Leichen

074 - Die mordenden Leichen

Titel: 074 - Die mordenden Leichen
Autoren: John E. Muller
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verbreitete sich nun über den ganzen Wiesengrund, noch intensiver und übelkeitserregender als innerhalb des Hauses. Dies mußte der Geruch sein, den Paul Chambers schon einmal erwähnt hatte: der abscheuliche Geruch des entmaterialisierten Bösen.
    Da wurde Fenner gewahr, daß die beiden anderen Männer, die näher an den eingesunkenen Gräbern standen, ebenfalls mit offenen Mündern auf die Erscheinung in der Toreinfahrt starrten. Seine Aufmerksamkeit wandte sich wieder dem Schatten zu. Nun konnte er erkennen, daß hinter der Schattengestalt noch andere in der Dunkelheit des Torbogens lauerten. Wie viele es waren, konnte er nicht ausmachen. Fenner versuchte, sich einzureden, daß dies alles ein Trugbild seiner Phantasie war. Vielleicht war alles nur eine Halluzination, hervorgerufen durch das Unheimliche, das diesem Ort anhaftete, und seiner eigenen, überhitzten Einbildungskraft. Wenn es aber nur eine Halluzination war, warum sahen dann die anderen auch, was er sah?
    Schweiß rann ihm über die Stirn, die Angst kehrte zurück, als das Schattenwesen seine dünnen, verächtlich gekräuselten Lippen öffnete und ein höhnisches Gelächter erklang, das unheimlich und beklemmend die Stille zerriß und in den Ohren der Männer gellte.
    Er bemerkte, daß Chambers mit aschfahlem Gesicht vorsprang, wobei er etwas krampfhaft mit den Fingern umschloß. Dann warf er dieses Ding mit aller Kraft in den Torbogen, während er mit bebender, aber lauter Stimme rief: „Fundamenta ejus in montibus sanctis!“
    Das glitzernde Ding landete mitten im Torbogen. Ein wilder, wütender und zugleich schmerzlicher Schrei gellte. Die Schattengestalt im Torbogen begann sichtlich zu verblassen, manchmal sich noch verdichtend, manchmal völlig zerfließend. Es war, als kämpften zwei Mächte um die Vorherrschaft in der Toreinfahrt.
    Dann waren die Schwärze und der Nebel verschwunden, nur der Gestank des Bösen blieb noch eine Weile in der Luft hängen und war auch noch zu spüren, als die Männer langsam und zögernd auf das Tor zugingen, und Chambers sich bückte, um das Kruzifix aufzuheben.
    „Oh, Gott“, rief Grosser gequält. „Wir können von Glück reden, daß wir noch so gut davongekommen sind. Was, um Himmels willen, war das?“
    „Ich glaube, wir können nun nicht mehr bestreiten, daß der Doktor recht hatte“, sagte Chambers. Er hielt das Kruzifix fest in der rechten Hand, als erwartete er einen neuen Angriff.
    „Oh Gottogottogott!“ sagte Kennaway. Er war noch immer fassungslos, und schüttelte unentwegt den Kopf.
    Fenner nahm Kennaway am Arm, führte ihn zu einem Mauersockel und hieß ihn sich setzen. „Ruhig Blut, mein Freund. Der Spuk ist vorüber. Jetzt haben wir wenigstens eine Ahnung, womit wir es zu tun haben. Ich kann Ihnen nachfühlen, wie Ihnen jetzt zumute ist, aber Panik führt zu nichts. Holen Sie einmal kräftig tief Luft, und alles sieht gleich viel besser aus.“
    Kennaway schüttelte langsam den Kopf. „Himmel, in meinem ganzen Leben habe ich so etwas noch nicht gesehen.“
    Fenner beobachtete ihn aufmerksam und wartete, bis der Schock sich ein wenig gelöst hatte, dann gesellte er sich wieder zu den beiden anderen Männern, die noch immer vor der leeren Toreinfahrt standen.
    Grosser schien einem Zusammenbruch nahe. In seinem fleischigen Gesicht waren die Augen tief eingesunken, sein Mund zuckte nervös. „Es wird wohl das beste sein, wir verlassen diesen Ort, solange wir noch die Chance dazu haben“, schlug Chambers vor. „Nach dem, was wir hier gesehen haben, glaube ich nicht, daß es klug wäre, noch länger hierzubleiben. Und wir kommen nicht eher wieder hierher, bis wir einen ausreichenden Schutz gegen das Böse, das hier wohnt, bereit haben.“
    „Gibt es denn einen Schutz?“ fragte Fenner.
    Chambers nickte. „Ja, es gibt einen, aber es dauert ein Weilchen, ihn zu beschaffen. Und sogar dann würde ich nicht allzu sicher sein. Hier in diesem Haus scheint die Zeit stillzustehen, und mehr noch an jenem unheiligen Ort.“ Er zeigte mit dem Daumen auf die Grabsteine hinter dem Haus, die fahl im grauen Tageslicht schimmerten.
    Die Männer gingen zum Wagen zurück. Keiner von ihnen sprach ein Wort auf dem Weg zum Dorf. Jeder war mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, jeder versuchte, das Gesehene zu verarbeiten und sich einen Reim darauf zu machen.
    Chambers sah zu Fenner, dann brach er das Schweigen. „Irgend etwas an dieser Sache macht mir Kopfzerbrechen, John. Nicht das, was wir eben gesehen
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