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Verflixte Hühnersuppe (German Edition)

Verflixte Hühnersuppe (German Edition)

Titel: Verflixte Hühnersuppe (German Edition)
Autoren: Veronika Aretz
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Kapitel 1
oder
Der Tag, den ich am meisten hasse
    Verflixte Hühnersuppe, weißt du, wie das ist, wenn du Schritte hörst und dir die Brühe eisig-schaurig den Rücken hinunterläuft, weil du keine zwei Meter weit sehen kannst? Wenn du befürchtest, dass ein bärenartiges Monstrum von Hund durch den Nebel auf dich zuhetzt, du dann aber feststellen musst, dass es nur ein vorlauter Dackel ist? Wenn dir daumendicke Tropfen in den Nacken pladdern und du hoffst, dass es nicht das gewisse Etwas eines Vogels ist? Und – verflixte Hühnersuppe! – wenn du auch noch weißt, dass du dir diese ganze Milchbrühe selbst eingebrockt hast, weil sich deine miese Stimmung gelegentlich aufs Wetter überträgt? Das Dumme ist, dass du es nicht ändern kannst, weil du eben solche Tage hasst.
    Vermurkst-verflixter Hühnersuppen-Albtraum! Ich hasse den allerersten Tag an einer neuen Schule – und genau so einer ist heute.
    Mit tief in den Taschen vergrabenen Händen schlurfe ich an der tristen Mauer entlang, die sich wie ein Gefängniswall rund um die Schule windet. In den letzten Tagen hat es in Strömen geregnet und nun platscht bei jedem meiner Schritte literweise Wasser zur Seite. Endlich komme ich zu dem wuchtigen Eingangstor. „Gymnasium Birkenbleich“ prangt in abgeblätterten Buchstaben auf einem Schild, genauso grau und stumpf wie dieser Frühlingsmorgen, genauso trüb wie meine Laune. Wem sollte es nicht einleuchten, dass es in meinem Bauch rumort, so, als hätte ich ein Dutzend Schnecken zum Frühstück gefuttert? So ein Neuanfang ist echt nicht von Pappe, jeder glotzt dich an, bis du das Gefühl hast, ein Außerirdischer zu sein, dem grüner Rauch aus den Ohren quillt.
    Aber – und das muss ich jetzt leider zugeben – so weit ab vom Schuss ist dieser Vergleich nun auch wieder nicht. Meine Heimatwelt liegt 40 Milliarden Lichtjahre (1) von der Erde entfernt. Und seit 37 Jahren quäle ich mich nun schon mit dem Gefühl herum, nicht zu euch Erdlingen zu gehören, dabei bin ich erst zwölf.

    Wenn du mir das nicht glaubst, klapp das Buch zu und leg es weg! Allerdings wirst du dann nie etwas über mich erfahren, nie etwas über meinen kleinen Freund, der mir schließlich zum Verhängnis wird, nie meine Feinde kennen lernen, die zur Schwarzen Seite gehören. Dann kann ich nur sagen: Du bist selbst schuld! Deine Gedanken werden in dir bohren wie glibberige Würmer, die sich genüsslich durch einen Apfel fressen. Nächtelang wirst du wach liegen, stöhnend und seufzend, bis du dir einen Ruck gibst und diese Seite wieder aufschlägst.
    Gut. Dann sind wir endlich so weit …
    Also – für den Fall, dass du den Überblick verloren hast: Ich gehe grad an so ’ner grässlichen Steinmauer entlang, durch ein Tor auf den Schulhof, auf dem sich kein Schwein blicken lässt.
    T’schuldigung für gewisse Vergleiche, aber wie du weißt, bin ich an diesem nebligen, total verkorksten ersten Schultag nun wirklich nicht in Stimmung.
    Die ganze Mannschaft von schnatternden Schülern kauert sich nämlich unter dem vor Regen schützenden Vorbau des Schulgebäudes eng zusammen. Wie eine gespenstische alte Ruine thront sie vor mir. Na gut, ganz so schlimm steht es um die Schule zwar nicht, doch sie ist alt im Gegensatz zu den vielen Anbauten ringsherum. Jetzt stellt sich mir nur eine einzige Frage: Soll ich mich mitten ins Gewimmel stürzen und zwischen stinkenden Schuhen, triefenden Haaren und schwitzenden Körpern verharren, bis es klingelt? Nee! Da kennst du mich aber schlecht! Ich überlege nicht lange und haste über die fünf Stufen ins Schulgebäude, um dem gruseligen Nebel zu entwischen.
    „Hast du etwa vergessen, zu welcher Gattung du gehörst?!“, fragt eine rauchige Stimme.
    Aus dem Schatten des Foyers schiebt sich eine dunkle Gestalt auf mich zu, von der ich zuerst nur den gewaltigen Schnurrbart sehe, der einem Staubwedel alle Ehre gemacht hätte. Unhöflicherweise packt sie mich so fest am Arm, dass ich denke, es sei einer der Straßenkehr-Roboter aus meiner Heimat, der mich mit einer Ladung Müll verwechselt hat. Doch der Mann ist ziemlich lebendig, nur sein Gesicht ist verknautscht, als hätte ihm jemand seinen Morgenkaffee vor der Nase weggeschnappt.
    „Dann muss ich dir wohl auf die Sprünge helfen?! Naseweise und Rotzlöffel warten draußen, klar?“, raunzt er.
    Ich zucke zusammen. Nicht, weil ich schreckliche Angst vor ihm habe, sondern weil ich am liebsten einen intergalaktischen Schaschlikburger aus ihm machen würde.
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