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Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter

Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter

Titel: Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
Autoren: Jean M. Auel
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eingeflochten, einen subtilen Trick. Aber für Ayla mit ihrer einzigartigen Lebensgeschichte lag der Trick offen zutage.
    Die Leute, die Ayla aufgezogen hatten und als Flachschädel bezeichnet wurden, sich selbst aber Clan nannten, verständigen sich mit Tiefe und Präzision, wenn auch nicht in erster Linie mit Worten. Nur wenige Leute wußten, daß sie überhaupt eine Sprache besaßen. Ihre Fähigkeit, sich zu artikulieren, war beschränkt, und häufig wurden sie als Wesen geschmäht, die weniger waren als Menschen, als Tiere, die nicht reden konnten. Sie bedienten sich einer Sprache aus Gesten und Zeichen, die jedoch äußerst vielfältig war.
    Die verhältnismäßig wenigen Worte, die der Clan sprach – Jondalar vermochte sie kaum wiederzugeben, ebenso wie Ayla es nicht fertigbrachte, bestimmte Laute in Zelandoii oder Mamutoi zu artikulieren , wurden auf eine ganz eigentümliche Weise ausgesprochen und gewöhnlich benutzt, um etwas Nachdruck zu verleihen, oder für die Namen von Leuten oder Gegenständen. Nuancen wurden mit Hilfe von Gesten, Haltung und Gesichtsausdruck angezeigt, die der Sprache dieselbe Tiefe und Vielfalt verliehen wie Tonfall und Modulation einer gesprochenen Sprache. Aber bei einer derart offenkundigen Form der Kommunikation war es fast unmöglich, einer Unwahrheit Ausdruck zu geben, ohne die Tatsache zu signalisieren; sie konnten nicht lügen.
    Als Ayla lernte, mit Zeichen zu sprechen, hatte sie auch gelernt, die subtilen Signale von Körperbewegungen und Gesichtsausdruck wahrzunehmen und zu deuten; das war für ein vollständiges Begreifen unerläßlich. Später, als sie dann von Jondalar erneut lernte, sich mit Worten auszudrücken, und schließlich fließend Mamutoi sprechen konnte, stellte Ayla fest, daß sie selbst bei Leuten, die sich mit Worten ausdrückten, die unwillkürlichen Signale registrierte, die in Form von Gesicht-sausdruck und Haltung gegeben wurden, obwohl diese Signale nicht zu ihrer Sprache gehörten. Sie stellte fest, daß sie mehr verstand als nur die Worte. Anfangs löste das bei ihr einige Verwirrung aus, weil sich die gesprochenen Worte nicht immer mit den Signalen der Körpersprache vereinbaren ließen und Lügen ihr unbekannt waren. Einer Unwahrheit konnte sie sich nur so weit nahem, indem sie etwas ungesagt ließ.
     Im Laufe der Zeit lernte sie, daß bestimmte kleine Lügen häufig als Höflichkeit gedacht waren. Doch erst als sie be-griffen hatte, was Humor war - der in der Regel darauf be-ruhte, daß man etwas sagte und etwas anderes meinte ,wurde ihr plötzlich das Wesen der gesprochenen Sprache klar und auch der Charakter der Leute, die sich ihrer bedienten. Von da an verlieh ihre Fähigkeit, unbewußte Signale zu deuten, ihrer sich entwickelnden Sprachkenntnis eine völlig neue unvermutete Dimension, eine fast unheimliche Einsicht in das, was die Leute wirklich meinten. Damit befand sie sich in einem ungewöhnlichen Vorteil. Obwohl selbst nicht zum Lügen imstande, es sei denn durch Schweigen, wußte sie im allgemeinen sehr genau, ob jemand die Wahrheit sprach oder nicht.
    "Als ich im Löwen-Lager war, gab es dort niemanden, der Lutie heißt." Ayla hatte sich zur Direktheit entschlossen. "Tulie ist die Anführerin und ihr Bruder Talut der Anführer.“
    Die Frau nickte kaum wahrnehmbar, und Ayla fuhr fort.
    "Ich weiß, es ist üblich, daß sich jemand für das Herdfeuer des Mammut entscheidet und nicht adoptiert wird. Es waren Talut und Nezzi, die mich zu sich nahmen. Talut vergrößerte sogar die Erdhütte, um eine Winterunterkunft für die Pferde zu schaf-fen. Aber der alte Mamut überraschte jedermann. Während der Zeremonie adoptierte er mich. Er sagte, ich gehörte zum Herd-feuer des Mammut, ich wäre dafür geboren."
    "Wenn du mit den Pferden ins Löwen-Lager gekommen bist, kann ich verstehen, wie der alte Mamut dazu kam, so etwas zu sagen", erklärte der Mann.
    Die Frau warf ihm einen verdrossenen Blick zu und murmelte ein paar Worte. Dann konferierten die drei abermals miteinander. Der Mann war zu dem Schluß gekommen, daß die Fremden allem Anschein nach Menschen waren und keine Geister, die ihnen einen Streich spielten - oder falls doch, jedenfalls keine übelwollenden Geister. Aber er glaubte nicht, daß sie genau das waren, was zu sein sie behaupteten. Die Erklärung, die der hochgewachsene Mann für das Verhalten der Tiere geliefert hatte, war zu einfach; aber er war interessiert. Die Pferde und der Wolf faszinierten ihn. Die Frau dagegen fand,
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