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Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)

Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)

Titel: Zurück nach Hollyhill: Roman (German Edition)
Autoren: Alexandra Pilz
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Wie?
    »Eve, kümmere dich um Josh!« Matts Stimme. Wieder donnernde Tritte auf dem Asphalt, dann wurde ein Motor gestartet. »Quayle versucht abzuhauen, schnell!«
    »Emily.« Matt kniete neben ihr. »Ich muss hinter ihm her.« Er legte eine Hand an ihre Wange, doch sein Blick war gehetzt. Er sah von ihr zu ihrem Vater, zu ihrer Mutter, wieder zu Emily. Das Motorengeräusch entfernte sich. »Ich komme wieder zurück«, flüsterte er, dann war er verschwunden.
    Emily lauschte seinen Schritten. Er rannte. Gleich würde eine Autotür knallen, ein Motor heulen, und Matt wäre fort.
    Und plötzlich sah sie es so deutlich vor sich, als hätte sie eben erst davon geträumt. Quayle am Steuer seines Wagens, um ihn herum Nebel und Wald. Der Blick in den Rückspiegel, und das teuflische, widerwärtige Lachen.
    Der Knall. Der Unfall.
    »Nein.« Zuerst hauchte sie das Wort nur, doch dann atmete sie die vermutlich letzte Kraft aus ihrem Inneren und schrie es hinaus. » NEIN !« Sie drückte die Hand ihrer Mutter und suchte hektisch ihren Blick. »Bitte«, flüsterte sie, »ich muss zu ihm.«
    Esther zögerte keine Sekunde. »Schnell, gehen Sie, halten Sie ihn auf!«, befahl sie Richard und zog Emily gleichzeitig auf ihre Füße. Sie legte einen Arm um ihre Taille und drängte sie in die Richtung, in der Matt gerade in einen Wagen stieg. »Warte!«, rief sie ihm zu, und das Wort vibrierte in Emilys Kopf. Sie konnte kaum ein Bein vor das andere setzen, es war, als seien ihre Muskeln abhandengekommen.
    »Ich muss dir etwas sagen«, flüsterte sie, und der Griff um ihre Taille verstärkte sich. Ihr Vater lief ihnen entgegen, Matt ebenso. »Beeilt euch«, rief er, »er ist vermutlich schon über alle Berge.«
    Hände packten sie, und ihre Füße hoben ein Stück vom Boden ab. Sie waren gleich beim Auto, und Emily spürte, wie Panik in ihr aufstieg. Sie verlor ihre Mutter aus den Augen. Doch dann, als Matt sie auf den Beifahrersitz des Wagens geschoben und angeschnallt hatte, kniete sie plötzlich vor ihr nieder.
    »Shhh«, machte sie und strich ihr mit einem Daumen über die Stirn. »Weine nicht.«
    Emily blinzelte. Ihr war nicht bewusst gewesen, dass sie weinte, aber nun fühlte sie die Tränen auf ihrer Wange. Sie trockneten. Und alles um sie herum war so still. Wie in Watte gepackt. Still und warm. Es war, als sei die Zeit stehengeblieben. Als habe die Zukunft für einen Augenblick den Atem angehalten.
    Ihre Mutter weinte nun ebenfalls. »Ich weiß, wer du bist«, flüsterte sie. »Ich habe von dir geträumt.«
    Emily schluchzte auf.
    »Shhh, alles ist gut.« Sie beugte sich vor und nahm Emily in die Arme. »Wie hübsch du bist.« Sie vergrub ihre Wange in Emilys Haar und wiegte sie wie ein Kleinkind hin und her. »Und so gut.« Sie seufzte. »Ich habe es nicht gleich erkannt«, fuhr sie fort, »erst, als ich dich auf dem Parkplatz sah.« Sie drückte Emily einen Kuss auf die Stirn und hielt sie dann ein Stück von sich weg.
    »Du sollst wissen, dass ich dich liebe«, wisperte sie. » Wir lieben dich. Vergiss das nicht. Nie. Was auch immer passiert.«
    »Mama.« Emily brachte kaum einen Ton heraus. »Der Wagen, ich …«
    »Ich weiß«, unterbrach sie. »Ich kann die Zukunft sehen. Ich kann sie nur nicht ändern.« Sie neigte ihren Kopf ein Stück und sah Emily fest in die Augen. »Aber du kannst es«, sagte sie. Es lag so viel Wärme in ihrem Blick. So viel Liebe. Ihre Augen wanderten zu Emilys Handgelenk, und ihre Finger strichen über den Verschluss des Armbands. Sie schloss die Augen.
    »Du träumst doch, habe ich recht?«, flüsterte sie.
    Emily schluckte. Der Schmerz, der in ihr aufstieg, zerriss ihr fast das Herz. Schließlich nickte sie.
    Ihre Mutter lächelte, doch es sah traurig aus.
    Sie zog Emily ein letztes Mal zu sich heran und küsste sie. Sie sagte: »Geh und rette ihn, Emily.« Dann stand sie auf und schlug die Autotür hinter sich zu.
    Im selben Augenblick ließ sich Matt neben ihr in den Sitz fallen, und Emilys Vakuum zerplatzte wie eine Seifenblase. Die Geräusche ihrer Umgebung drangen wieder zu ihr vor, Matts schneller Atem, das Fauchen des Motors, die Reifen, die unter ihnen quietschten, als Matt das Gaspedal durchtrat. Emilys Tränen flossen unaufhaltsam, während sie sich die Hände vor das Gesicht presste und den Kopf nach vorn sinken ließ.
    Es war ihr unmöglich zu erfassen, was gerade geschehen war. Allein der Gedanke daran überstieg ihren Verstand und all ihre Fantasie.
    Ich kann die Zukunft nicht
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