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Alex Benedict 01: Die Legende von Christopher Sim

Alex Benedict 01: Die Legende von Christopher Sim

Titel: Alex Benedict 01: Die Legende von Christopher Sim
Autoren: Jack McDevitt
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PROLOG |
     
     
    Die Luft war schwer von Weihrauch und dem süßen Geruch von heißem Wachs.
    Cam Chulohn liebte die schlichte Steinkapelle. Er kniete auf der harten Bank und beobachtete, wie das kristallklare Wasser durch Vater Currys Finger in die Silberschüssel tropfte, die der Postulant hielt. Dieses zeitlose Symbol der menschlichen Bemühungen, der Verantwortung auszuweichen, war Chulohn immer als das bedeutendste all dieser uralten Rituale erschienen. Darin, dachte er, liegt die Essenz unserer Natur, auf ewig durch die Epochen offenbart für alle, die sehen können.
    Sein Blick verweilte dann nacheinander auf der Alkove der Jungfrau (erhellt von einigen wenigen flackernden Kerzen) und der Kreuzwegstation, auf dem einfachen Altar, auf der aus dem Stein gemeißelten Kanzel mit ihrer gewaltigen Bibel. Nach den verschwenderischen Maßstäben von Rimway und Rigel III und Taramingo war die Kapelle bescheiden. Doch irgendwie waren ihm die Erhabenheit der Architektur in jenen weitläufigen Kathedralen, die exquisite Qualität der bemalten Fenstergläser, die beruhigende Mächtigkeit der Marmorsäulen, die schier engelhafte Kraft der großen Orgeln, die schwungvollen Chorgalerien nur im Weg. Hier, auf halber Höhe eines Berges, konnte er über das Flußtal hinausblicken, das die frühen Väter in einem Anflug von Begeisterung dem hl. Anthony von Toxicon geweiht hatten. Hier gab es nur den Fluß, die Hügelketten und den Schöpfer.
    Chulohns Besuch der Abtei war (soweit er wußte) der erste eines hohen Bischofs seit der Gründung der Gemeinde. Auf Albacore, dieser eingeschneiten, kalten Welt am äußersten Ende des Einflußbereichs der Konföderation, lebten außer den Vätern nur wenige andere Menschen. Doch wenn man die überwältigende Stille dieser Welt genoß, auf das gelegentliche, ferne Poltern eines Felsrutsches lauschte und die kalte, scharfe Luft einatmete, verstand man leicht, daß sie zu dieser oder jener Zeit die besten Gelehrten beherbergt hatte, derer der Orden sich rühmen konnte. Martin Brendois hatte in einer Zelle direkt über der Kapelle seine großen Beschreibungen der Zeit der Sorgen verfaßt. Albert Kale hatte hier seine gefeierte Studie der transgalaktischen Strings vollendet und Morgan Ki die Aufsätze konzipiert, die seinen Namen unauslöschbar mit der klassischen Wirtschaftstheorie verbinden sollten.
    Ja, dieser Ort hatte etwas an sich, das Größe hervorrief.
    Nach der Messe ging er mit Mark Thasangales, dem Abt, über die Brückenmauer. Sie waren in Mäntel gehüllt, und ihr Atem kondensierte vor ihnen. Thasangales hatte viel mit dem Tal des hl. Anthony gemein: Niemand im Orden konnte sich daran erinnern, daß er einmal jung gewesen war. Seine Gesichtszüge wirkten so unnachgiebig und zerfurcht wie die Kalksteinmauern und die schneebedeckten Klippen. Er war eine Feste des Glaubens: Chulohn konnte sich nicht vorstellen, daß in diesen dunkelblauen Augen jemals die Zweifel stehen könnten, die gewöhnliche Menschen quälten.
    Sie riefen sich bessere Zeiten in Erinnerung zurück – wie es Männer mittleren Alters, die sich lange nicht mehr gesehen haben, immer zu tun pflegen – als der Abt die Vergangenheit abschüttelte. »Cam«, sagte er und hob leicht die Stimme, um sich über den Wind verständlich zu machen, »du hast gut getan.«
    Chulohn lächelte. Thasangales war begabt; seine Fähigkeit, Geldmittel zu beschaffen und zu verwalten, wurde in keiner Weise von seiner durchaus feststellbaren Aura der Heiligkeit geschmälert. Er war ein ausgezeichneter Finanzverwalter und ein Redner von großer Überzeugungskraft, genau die Art von Mann, die die Kirche und den Orden repräsentieren sollte. Doch es hatte ihm immer an Ehrgeiz gemangelt. Und so war er zur Gemeinde des hl. Anthony zurückgekehrt, als sich die Gelegenheit bot, und war sein Leben lang dort geblieben. »Die Kirche ist gut zu mir gewesen, Mark. Wie auch zu dir.« Sie sahen von der Bergspitze hinab, auf der die Abtei stand. Das Braun der Talsohle kündete von dem bevorstehenden Winter. »Ich habe mir immer gewünscht, für ein paar Jahre hierherzukommen. Vielleicht Theologie lehren. Vielleicht nur mein Leben in Ordnung zu bringen.«
    »Die Kirche braucht dich für wichtigere Dinge.«
    »Vielleicht.« Chulohn betrachtete seinen Ring, das Emblem seines Amtes, und seufzte. »Dafür habe ich viel aufgegeben. Vielleicht war der Preis zu hoch.«
    Der Abt stimmte ihm weder zu, noch widersprach er; er stand einfach da und wartete die
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