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Zu cool für dich

Zu cool für dich

Titel: Zu cool für dich
Autoren: Sarah Dessen
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Pariser Erinnerungen zusammen und brach zu einer Weltreise auf. Ließ sich nicht von irgendwelchen Verflossenen zurückhaltenund von der Liebe nicht daran hindern, neu anzufangen. Kein schlechtes Ende, fand ich. Vor noch gar nicht allzu langer Zeit hatte ich für mich selbst ein ganz ähn liches geplant.
    Angela verließ das Zimmer, um in die Bibliothek zu gehen. Ich nahm den großen braunen Umschlag, öffne te ihn und ließ seinen Inhalt in meinen Schoß fallen. Das Erste, was ich sah, war ein Stapel Fotos, von einem Gummiband zusammengehalten. Auf dem obersten war ich selbst: Ich blinzelte, weil mir die Sonne grell ins Gesicht schien. Irgendwas stimmte mit dem Foto nicht. Es war am oberen Rand völlig verschwommen und auf der linken Seite gab man eine Art Doppelbelichtung. Die Fotos waren alle etwas seltsam, merkte ich, als ich sie nacheinander anschaute. Auf den meisten war Dexter zu sehen, auf einigen ich, auf ein paar anderen John Miller. Ein paar Fotos zeigten Gegenstände wie Autoreifen oder Mandarinen, aber alle waren irgendwie nicht ganz in Ordnung. Dann kapierte ich endlich, woran es lag: Die Fotos waren mit den ruinierten Wegwerfkameras gemacht worden, die Dexter und die anderen im Sommer ständig mit sich rumgeschleppt hatten. Wie von Dexter prophezeit, waren die Bilder also doch was geworden. Andererseits waren sie alles andere als perfekt, genau wie ich vermutet hatte. Aber sie waren okay   – wie so vieles im Leben.
    Außerdem war in dem Umschlag eine sorgfältig verpackte CD.   Auf dem Etikett stand RUBBER RECORDS und darunter, in etwas kleineren Buchstaben, TRUTH SQUAD.   Das erste Lied auf der CD kannte ich gut, es hieß
Kartoffel-Song Nummer eins
. Den zweiten Song kannte ich noch besser.
    Ich schnappte mir meinen Discman, setzte den Kopfhörer auf, legte die CD ein, drückte auf den Startknopf. Das typische leise Surren ertönte, als die CD abgetastet wurde. Ich übersprang Track Nummer eins und stellte sofort das zweite Lied ein (die meisten Menschen würden vermutlich genau dasselbe tun, wenn die Platte erst mal raus war). Während der ersten Akkorde legte ich mich aufs Bett und nahm das letzte Foto aus dem Stapel in die Hand:
    Dexter und ich am Flughafen. An dem Tag, als ich abflog, um aufs College zu gehen. Wieder war der obere Rand etwas verschwommen und in der rechten unteren Ecke explodierte ein komischer kleiner Lichtreflex. Doch abgesehen davon war es ein gutes Bild von uns beiden. Wir standen vor einem Fenster, ich hatte meinen Kopf an seine Schulter gelegt, wir lächelten. Ich war traurig gewesen, aber nicht so, wie man traurig ist, wenn etwas endgültig zu Ende geht. Ich brach in mein eigenes Leben, meine eigene neue Welt auf, wie Melanie. Aber ich nahm einen Teil meiner Vergangenheit und einen Teil meiner Zukunft mit auf die Reise.
    Die Musik aus dem Kopfhörer wurde allmählich lauter; gleich würde über dem neuen, jazzigen Retrosound die erste Zeile des Liedes erklingen. Als ich das Foto umdrehte, merkte ich, dass auf der Rückseite etwas mit schwarzem Kugelschreiber hingeschmiert (was sonst?) stand:
Washington, Baltimore, Philadelphia, Austin   ... und du. Bin bald bei dir.
    Ich drehte am Regler, damit die Musik lauter wurde und Dexters Stimme alles ausfüllen konnte, meine Ohren, meinen Kopf, fließend weich. Und obwohl ich das Lied schon so oft gehört hatte, fühlte ich   – wie jedesMal, wenn der Gesang einsetzte   – dieses Stocken, diese winzige Unterbrechung in meinem Atem.
    Ein Wiegenlied aus wenig Worten
    Aus ein paar einfachen Akkorden   –
    Still ist es hier im kahlen Raum.
    Und doch wirst du es hören,
    Wo immer du auch hingehst.
    Selbst wenn ich dich verlasse,
    Dies Wiegenlied klingt fort.
    Es gab keine Garantien, das wusste ich. Niemand konnte wissen, was als Nächstes geschehen würde. Weder für mich noch für ihn noch für irgendwen sonst. Manche Dinge haben nicht für immer Bestand, andere schon. Wie ein guter Song oder ein gutes Buch oder eine gute Erinnerung, die man in seinen dunkelsten Stunden hervorkramt und auseinander faltet; man glättet die Rän der , schaut genau hin und hofft, dass man den Menschen, den man dort sieht, noch erkennt. Dexter befand sich auf der entgegengesetzten Seite des Kontinents, weit entfernt von mir. Aber ich war zuversichtlich, dass er zu mir kommen würde. So oder so. Und falls nicht   – ich hatte ja schon bewiesen, dass ich in der Lage war, ihm auf halbem Weg entgegenzugehen.
    Aber jetzt lag ich einfach nur auf
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