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Zu cool für dich

Zu cool für dich

Titel: Zu cool für dich
Autoren: Sarah Dessen
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ich.
    »Hi.«
    Ich nahm alles in mich auf: seine dunklen Locken, seinen Geruch, den billigen schwarzen Anzug, den er trug, die losen Fäden am Ärmel. Er sah mich weiterhin nur an. Wich nicht zurück, kam nicht näher. Plötzlichwurde mir schwindelig, denn ich wusste, der Sprung war längst unvermeidlich gewesen. Und ich stand nicht mal mehr auf der Klippe, mit den Fußspitzen überm Abgrund, sondern befand mich bereits mitten in der Luft.
    »An dem Tag, als wir uns kennen gelernt haben   – hast du das wirklich geglaubt? Dass es uns vorherbestimmt ist, zusammen zu sein?«, fragte ich.
    Er blickte mich an und antwortete: »Du bist da, nicht wahr?«
    Die Entfernung zwischen uns war nicht sehr groß. Eigentlich nicht erwähnenswert, wenn man sie in Meilen, Metern oder Zentimetern maß, all diesen Einheiten, die so genau messen konnten, wie weit man gekommen war und was man noch zurücklegen musste. Aber für mich war der Abstand zwischen uns riesig. Er wartete dort, auf der anderen Seite, als ich mich zu ihm beugte. Ich musste nur noch dieses allerletzte, kurze Stück hinter mich bringen. Doch schon in dem Moment wusste ich: Später würde ich mich nur daran wirklich erinnern können, an dieses letzte Stückchen. Als ich ihn dann küsste   – und sich der Kreis dieses Sommers schloss   –, ließ ich mich fallen. Ich hatte keine Angst mehr vor dem Boden, dem ich entgegenfiel und der mich auffangen würde. Stattdessen zog ich ihn noch enger an mich, ließ meine Hand an seinem Nacken entlanggleiten und suchte die Stelle, wo ich seinen Puls ertasten konnte. Sein Herz schlug schnell, so schnell wie meines. Als ich die Stelle gefunden hatte, legte ich meine Finger drauf, ganz fest, und ließ sie dort liegen. Als wäre das alles, was uns miteinander verband.



Kapitel Achtzehn
    M elanie wusste, die Entscheidung lag bei ihr. Es hatte eine Zeit gegeben, da wäre sie Luc und dem Gefühl der Sicherheit, das er ihr bot, bedenkenlos nachgejagt. Und zu einem anderen, noch weiter zurückliegenden Zeitpunkt wäre ihr Brock als die Antwort auf all ihre Fragen erschienen; Fragen, die sie immer noch mitten in der Nacht mit klopfendem Herzen erwachen ließen. Dann lag sie da und grübelte darüber nach, wie sie dort hingekommen war, wo sie war. Die Entscheidung schien klar. Und doch auch wieder nicht. Ganz und gar nicht klar.
    Melanie stieg in den Zug, der sie nach Paris bringen würde, ließ sich auf einen Fensterplatz sinken und presste ihre Hand flach an die Scheibe. Irgendwann würde die Landschaft in der Ferne hinter ihr versinken und das Fenster stattdessen eine atemberaubende Sicht auf die Gebäude freigeben, die für einen großen Teil ihrer Vergangenheit den Hintergrund abgegeben hatten. Doch auf dieser Fahrt hatte sie Zeit, darüber nachzudenken, wie ihre Zukunft aussehen sollte. Welches ihr nächster Schritt sein würde. Der Zug fuhr ab, wurde allmählich schneller. Sie lehnte sich zurück und genoss die Vorwärtsbewegung, die sie ihrem Schicksal entgegenbrachte.
     
    »Remy?«
    Ich blickte auf. Meine Zimmergenossin Angela stand in der Tür. »Ja?«
    »Post.« Sie setzte sich neben mich, sortierte die Umschläge in zwei Stapel. »Zeugs vom College. Kreditkartenwerbung. Irgendwas von den Zeugen Jehovas   ... bestimmt für dich   ...«
    »Endlich«, meinte ich. »Ich warte schon seit ’ner Ewigkeit drauf.« Angela kam aus Los Angeles, jobbte als Aerobictrainerin und machte nie ihr Bett. Wir passten nicht gerade zusammen, kamen aber miteinander aus.
    »Ach, und der hier ist auch für dich.« Sie zog einen großen braunen Umschlag unter ihrem Mathebuch hervor. »Wie ist es?« Sie deutete auf meine Lektüre.
    »Gut.« Ich markierte die Seite, bis zu der ich gekommen war, und legte das Buch weg. Es war zwar nur ein Vorabexemplar von Barbara Starrs neuestem Werk,
Melanies Entscheidung
; aber schon drei Mädchen aus meinem Wohnhaus auf dem Campus hatten gefragt, ob sie das Buch ausleihen dürften, sobald ich mit Lesen fertig war. Allerdings würden sie sich über das Ende wahrscheinlich genauso wundern wie die Lektorin und die Verlegerin meiner Mutter. Ich war selbst ziemlich überrascht gewesen, als ich im Flugzeug auf dem Weg hierher nach Stanford das Manuskript gelesen hatte. Eigentlich erwartet man am Ende großer romantischer Liebesgeschichten ja ein Happyend für die Heldin   – mit einem Mann selbstverständlich. Doch Melanie entschied sich am Schluss des Romans dafür, sich nicht zu entscheiden. Sie packte ihre
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