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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht
Autoren: Stephan Ludwig
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her, aber der Lampenmann konnte sich genau daran erinnern. Sie hatten auf der Straße gestanden, sein Freund und der Mann mit dem Hut. Sie hatten gestritten, das hatte er sofort gesehen. Und dass sein Freund wütend war auf den Mann mit dem Hut und der kaputten Nase.
    Er ist mein Feind, hatte sein Freund gesagt.
    Der Lampenmann wusste, was das bedeutete.
    Feinde waren böse, sehr böse.
    Dann hatte sein Freund ihn weggeschickt, er hatte ihn sogar angebrüllt. Das hatte den Lampenmann traurig gemacht, aber nur kurz, sein Freund hatte das ja nur getan, weil der Mann mit dem Hut ihn so geärgert hatte.
    »Ich bin nämlich nicht dumm«, sagte der Lampenmann laut.
    Nein, das war er nicht. Er hatte genau verstanden, was sein Freund meinte. Ja, er war weggegangen, aber nur ein Stück, dann hatte er sich in einem Hauseingang versteckt und gewartet.
    Als der Mann mit dem Hut kam, war er ihm nachgelaufen. Er hatte ihn bis zum Fluss verfolgt und dort, im Schatten der großen Brücke, hatte er es schließlich getan.
    Nein, es hatte ihm keinen Spaß gemacht.
    Aber er hatte seinem Freund einen Gefallen getan.
    *
    Es war bereits später Nachmittag, als Schröder endlich im Büro erschien. Selbst Zorn bemerkte sofort, dass etwas nicht stimmte, Schröder sah blass aus, übernächtigt, grußlos kam er herein, knöpfte den Mantel auf, ließ ihn aber an. In der linken Hand hielt er einen Umschlag aus brauner Pappe.
    »Ich muss gleich wieder weg.«
    Zorn stand auf.
    »Was ist los?«
    Schröder schwieg.
    »Ist was mit deinem Vater?«
    »Ja.«
    »Willst du drüber reden?«
    »Du weißt, dass ich das nicht will.« Schröder holte tief Luft. »Er liegt auf der Intensivstation.«
    Zorn kannte Schröder gut. Mehr würde er jetzt nicht erzählen.
    »Fahr zu ihm«, sagte Zorn.
    »Gleich.« Schröder legte den Umschlag auf den Tisch. »Das wollte ich dir noch geben. Du wirst dich allein darum kümmern müssen.«
    »Was ist das?«
    »Du hattest gestern Abend von dem Video erzählt, davon, dass es der einzige Weg wäre, de Koop eindeutig zu überführen. Das hat mir keine Ruhe gelassen, deshalb bin ich noch einmal in Grünbeins Wohnung, bevor ich nach Hause gefahren bin.« Schröder sprach langsam, jedes Wort war genau bedacht. »Beim ersten Mal war ich wohl etwas unkonzentriert, ich habe nicht genau nachgesehen. Der Film war im Schreibtisch versteckt, eine der Schubladen hatte einen doppelten Boden.«
    Zorn öffnete den Umschlag, eine schwarze Hi8-Kassette rutschte heraus.
    »Weißt du, was das bedeutet?«, fragte er.
    Schröder nickte wortlos.
    Zorn nahm die Kassette zwischen Daumen und Zeigefinger, vorsichtig, als könne sie jeden Moment explodieren.
    »Jetzt haben wir ihn«, sagte er leise. »Damit wandert er für den Rest seines Lebens ein.«
    »Wahrscheinlich steckt de Koop auch hinter dem Anschlag auf dem Polizeiball. Er wollte Chaos schaffen, die Ermittlungen in eine andere Richtung lenken. Du solltest ihn noch einmal vernehmen, vielleicht gibt er alles zu. Jetzt, wo er nichts mehr zu verlieren hat.«
    Ich soll ihn vernehmen?, dachte Zorn. Wieso sagt er nicht wir? «
    »Wir kümmern uns nächste Woche darum«, antwortete er. »Du nimmst erst mal ein paar Tage frei.«
    Schröder schüttelte vorsichtig den Kopf.
    »Ich fürchte, das wird nicht reichen, Chef.«
    »Dann mach Urlaub.«
    Schröder erwiderte nichts. Zorn starrte ihn mit offenem Mund an. Es dauerte ein paar Sekunden, dann wurde ihm die Bedeutung dieses Schweigens bewusst, er schluckte, wehrte sich nach Kräften, konnte nicht wahrhaben, was er gerade hörte. Wollte es nicht, um keinen Preis auf der Welt.
    »Das ist nicht dein Ernst, Schröder.«
    Ihre Blicke trafen sich. Schröder sah ernst zu Zorn auf, seine Augen schimmerten wie blaue Neonröhren. Zorn hatte einen Kloß im Hals. Nein, kein Kloß, ein scharfkantiger Betonklotz hatte sich in seiner Kehle verhakt.
    »Du darfst mich in diesem Sauladen nicht allein lassen.«
    »Es tut mir leid.«
    »Überleg dir das noch mal.«
    »Das habe ich, Chef.«
    Natürlich hatte er das. Alles, was Schröder tat, war genau durchdacht. Jetzt hatte dieser pummelige Mann eine Entscheidung getroffen. Nichts würde ihn davon abhalten.
    »Bitte, Schröder.«
    Auch kein Betteln.
    Dieser Gartenzwerg verlässt mich, dachte Zorn. Für immer.
    »Letzte Nacht wäre mein Vater fast gestorben«, sagte Schröder leise. »Ich hätte bei ihm sein müssen, aber ich war unterwegs. Ich habe diesen Einsatz geleitet, danach war ich in Grünbeins Wohnung, obwohl ich
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