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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht
Autoren: Stephan Ludwig
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es war Jeremias Staal, dem er mit einer Eisenstange das Rückgrat brechen musste. Nein, auch das hatte dem Lampenmann nicht gefallen, aber er tat es, ebenso, wie er wenig später die Tür der Badezelle aufbrach, dem Anwalt die Kehle durchtrennte und ihm die Augen aus dem Kopf schnitt. Doch ist er tatsächlich ein Mörder?
    Kann jemand ein Mörder sein, wenn er nicht weiß, was er tut?
    *
    Jan Czernyk stand auf Zehenspitzen, mit dem Rücken gegen den Fensterrahmen gepresst. Er war blass, mit beiden Händen umklammerte er den Unterarm des Lampenmanns, Schweiß glänzte auf seinem Gesicht, lief an seinen Schläfen hinab.
    »Fester«, befahl de Koop.
    Die Finger gruben sich tiefer in Czernyks Gurgel. Der Lampenmann hatte sich vorgebeugt und das Gewicht auf den linken Fuß verlagert, ernst, konzentriert starrte er Czernyk an. Czernyk erwiderte diesen Blick, stumm, mit einer fast beängstigenden Ruhe.
    »Das mit den Augen will ich nicht noch mal machen«, sagte er. Sein Atem ging ruhig, er musste über unglaubliche Kräfte zu verfügen. »Das war eklig, als ich die bei dem anderen Mann rausschneiden musste.«
    Czernyks Knie schoss nach oben, ein verzweifelter Versuch, seinen Gegner in den Unterleib zu treten. Es hatte keinen Sinn, er war chancenlos, wie eine Stoffpuppe in den Händen eines Preisboxers. Fast beiläufig wich der Lampenmann zur Seite aus, sein Griff wurde fester.
    Czernyks Füße trommelten gegen den Rahmen. Seine Augen traten aus den Höhlen, er röchelte, Speichel floss aus seinem Mund.
    »Noch fester«, sagte de Koop. Seine Augen glitzerten.
    Die Knöchel des Lampenmanns wurden weiß, Czernyk verkrampfte sich, er schlug um sich. Sein Gesicht war blau angelaufen, er zappelte, ein grausiger, epileptischer Tanz, der Fensterrahmen vibrierte, krachte immer wieder gegen die Wand, schlug gegen Zorns Hinterkopf.
    »Er macht das gut, oder?« De Koop hob die Pistole und stieß Zorn leicht in die Rippen. »Ich sagte ja, er ist stark wie ein Bär. Ab und zu muss man ihn belohnen. Er mag Lakritze.«
    »Lakritze«, wiederholte der Lampenmann verträumt.
    *
    Jan Czernyk stirbt.
    Das Leben verlässt seinen Körper wie Luft einen zerstochenen Fahrradschlauch. Er hat nicht um sein Leben gebettelt, denn er weiß, dass er keine Chance gegen die beiden Männer hat. Der eine ist stark wie ein Stier, der andere hält die Waffe auf ihn gerichtet. Sicherlich, er könnte alles abkürzen, wenn er kämpft, würde de Koop ihn erschießen, doch er tut es nicht. Es ist dieser letzte Triumph, den er Elias de Koop nicht gönnen will.
    Alles war lange geplant, doch er hat sich verrechnet. Er hat de Koop mit seinen eigenen Waffen schlagen wollen, mit Gewalt, mit Erpressung, selbst mit Folter hat er gedroht, obwohl er keine Sekunde daran dachte, dies in die Tat umzusetzen.
    Es tut weh, fürchterlich weh.
    Czernyks Hirn schreit nach Sauerstoff, seine Finger vergraben sich in den Unterarmen des Lampenmanns, es ist, als würde er einen Stahlträger packen. Seine Hände flattern nach oben, versuchen nach dem Gesicht des Lampenmanns zu greifen, den Augen, der Nase, es ist zwecklos.
    Czernyks Augen sind weit aufgerissen, er sieht das konzentrierte, kindliche Gesicht des Lampenmanns, nur wenige Zentimeter entfernt, die Kopflampe ist ein wenig zur Seite gerutscht und leuchtet de Koop an, sein Mund ist halb geöffnet, er fährt sich mit der Zungenspitze über die feuchten Lippen, gierig, als wolle er jedes kleinste Detail in sich aufsaugen. De Koop, der Nachtmensch, hat keine Angst vor der Dunkelheit, er fürchtet sich nicht vor bösen Geistern. Er ist selbst einer.
    Plötzlich wird alles klar, der trübe Schleier vor Czernyks Augen verschwindet, komisch, er hatte solche Angst vor der Blindheit, jetzt, da er stirbt, lichtet sich der Nebel. Nein, da ist kein gleißendes Licht am Ende eines Tunnels, auch sein Leben zieht nicht an ihm vorbei, Jan Czernyk sieht etwas anderes.
    Das Video. Es ist verschwunden, der einzige Beweis, den er jemals gegen de Koop hatte. Seine größte Angst war, dass ihn die Bilder verfolgen würden, dann, wenn er endgültig nichts mehr sehen würde. Jetzt tauchen sie auf, ausgerechnet jetzt, er kann sich nicht dagegen wehren, das Letzte, was er in seinem Leben sehen soll, ist brennendes Fleisch, er hört das Wimmern der gefolterten Frau, de Koops leises Lachen, ja, denkt Czernyk, es ist gut, dass ich sterbe, niemand kann so etwas aushalten.
    Jan Czernyk verlässt seinen Körper, der Schmerz verebbt.
    *
    »Er erstickt!«, schrie
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