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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht
Autoren: Stephan Ludwig
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Zorn. Sein eigenes Schicksal war ihm plötzlich egal, nichts konnte schlimmer sein, als hilflos neben einem Sterbenden zu stehen.
    Der Lampenmann erwiderte nichts, nur sein Atem ging schneller.
    Auch Elias de Koop schwieg.
    Und lächelte.
    *
    Czernyk sieht seinen eigenen Körper schlaff an den ausgestreckten Armen des Lampenmanns hängen. Offensichtlich ist er tot, doch könnte er sich dann selbst beobachten? Die Bilder sind klar, scharf umrissen, Czernyk erkennt jedes Detail, die Flecken auf seinem Anzug, eine kleine kahle Stelle am Hinterkopf des Lampenmanns.
    De Koop sagt etwas. Der Lampenmann lässt los, Czernyk sieht sich selbst reglos zu Boden sinken. Dann tritt de Koop vor, hebt die Pistole, die Mündung presst sich an die Schläfe von Claudius Zorn.
    *
    »Gute Reise, Herr Hauptkommissar.«
    Die Waffe drückte hart gegen Zorns Kopf, das Metall war kühler, als er erwartet hatte.
    Eine erstaunliche Ruhe überkam ihn, er wusste selbst nicht, woher diese Gleichgültigkeit plötzlich kam. Irgendwo hatte er mal ein Fremdwort für diesen Zustand der Resignation gehört, es hatte klug geklungen, ein wenig hochtrabend, Schröder hätte es wahrscheinlich sofort gewusst.
    Dann krachte der Schuss.
    Zorn wurde zur Seite geschleudert, ein weiterer Knall, noch einer. Seine Beine knickten weg, er wartete auf den Schmerz, urplötzlich fiel ihm ein, dass die Waffe einen Schalldämpfer hatte, nein, das waren keine Schüsse, es kam von den Türen, sie wurden aufgerissen, schlugen gegen die Wände.
    Plötzlich überall Nebel. Schwere Stiefel knirschten über splitterndem Glas, Scheinwerfer flackerten auf, Kommandos wurden gebrüllt, Zorn schrie ebenfalls, sah, wie de Koop die Waffe herumriss, ein Schatten sprang vor, de Koop wurde zu Boden gerissen, ein weiterer Schatten, im nächsten Moment lag der Lampenmann neben de Koop wie ein gefällter Baum.
    Zorn zerrte an seiner Fessel.
    »Holt einen Arzt!«, schrie er. »Scheiße!«
    *
    Der Rauch der Nebelgranaten hängt in dicken Schwaden unter der Kuppel. Ein Sanitäter beugt sich über Czernyk, richtet sich kopfschüttelnd wieder auf. Vor dem Hauptportal entsteht Tumult, eine Frau kommt hereingestürmt, ein Polizist will sie zurückhalten, sie stößt ihn zur Seite, kniet sich neben den reglosen Körper.
    Jan Czernyk ist müde. Er hat genug gesehen, es reicht, jetzt will er seine Ruhe. Es ist gut, das alles hinter sich zu lassen, egal, was kommt, es kann nur besser werden.
    Keine Schmerzen mehr. Nichts denken. Nichts fühlen.
    *
    Zorn taumelte durch den Nebel, die Arme hatte er schützend über den Kopf gelegt. Er hatte keinerlei Orientierung, seine Augen tränten, er prallte gegen einen dick vermummten Polizisten, dann wurde er am Arm gepackt, er schrie, frische Luft strömte ihm entgegen, plötzlich stand er draußen, schwankte und sank auf einen Mauersims neben dem Eingangsportal.
    Schröder kam, fragte, ob alles in Ordnung sei. Nein, rief Zorn und bekam einen Hustenanfall, nichts ist okay, wir haben Mist gebaut, wir hätten das alles verhindern können, Czernyk hat uns die ganze Zeit über Hinweise gegeben, wir waren blind, haben nicht darauf geachtet! Grünbein war der Schlüssel, er hatte den Beweis, es ist ein Video, Czernyk hat danach gesucht, dann hat er sie alle entführt und hierhergebracht, den Richter, den Anwalt, de Koop und später auch mich. Aber er hat niemanden ermordet, das war de Koop, er wollte alle Zeugen beseitigen, auch Jeremias Staal hat er getötet, nein, nicht er, sondern der Lampenmann ist der Mörder, aber es läuft auf dasselbe hinaus!
    Zorn konnte nicht aufhören zu reden, die Worte strömten unaufhörlich aus ihm hervor. Dann, ganz plötzlich, als würde der Hahn zugedreht, versiegten sie. Zorn schwieg einen Moment.
    »Ein Glück, dass du hier bist, Schröder«, sagte er dann.
    *
    Es ist warm. Das wundert Jan Czernyk, sein Körper liegt auf dem kalten Boden, eigentlich müsste er frieren. Es riecht auch anders, er kennt den Geruch, es ist ein Parfum, es gehört der Frau, die er liebt. Doch daran will er nicht denken, er will nur vergessen. Jemand ruft seinen Namen, jetzt, denkt Czernyk, holen sie mich, es stimmt also, was man immer hört, dann sieht er auch das Licht, will sich darauf zubewegen, er wird zurückgehalten, Hände schlagen ihm ins Gesicht, trommeln gegen seine Brust, die Schmerzen kommen zurück, sein Hinterkopf schlägt gegen etwas Hartes, er wird geschüttelt, jemand brüllt weinend seinen Namen, er hört ein dumpfes Pochen, es ist sein
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