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Zielstern Beteigeuze

Zielstern Beteigeuze

Titel: Zielstern Beteigeuze
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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lächerlich vor, obwohl er sich eingestehen mußte, daß ihre Ängste zu ihrer Zeit vielleicht nicht ganz unberechtigt gewesen waren und daß sie sich einfach noch nicht hatten vorstellen können, wie in einer vollentwickelten klassenlosen Gesellschaft gerade diese Numerierung sie von allem Unschöpferischen befreien würde. Ja, sie mußten sich nicht einmal diese Nummer merken, weil jeder Erkennungsautomat auf Grund der Fingerbeeren oder der Gehirnrhythmen oder der Sprachanalyse diese Nummer liefern konnte, wenn sie gebraucht wurde - und für den täglichen Umgang genügte ja der eine Name, den man sich selbst gab.
    Charakteristisch war übrigens, daß alle in der Besatzung geographische Namen hatten. Anfangs war das die große Mode gewesen, inzwischen wurden auch Blumen, Tiere, Sterne als Vorlage für Namen benutzt - aber die meisten, die sich der Raumfahrt und verwandten Berufen widmeten, wählten Bezeichnungen aus der Geographie. Die Älteren freilich hatten noch eine ernste symbolische oder ästhetische Bindung an ihren Namen. Atacama zum Beispiel, mit der er jetzt das drittemal flog, stammte zwar nicht aus der Wüste, deren Namen sie trug, aber sie hatte sie in jungen Jahren öfter durchstreift und liebte diese Landschaft. Jüngere Leute gingen mehr vom Klang des Wortes aus, die Zwillinge zum Beispiel, Vienna und Kerala, hatten, wie er wußte, diese Stadt in Europa und dieses Land in Indien noch nie gesehen...
    Kiliman gestand sich ein, daß er solchen Gedanken jetzt nur nachging, weil er eigentlich nicht recht wußte, was er tun sollte. Im Grunde war ein CP bei zahlenmäßig so kleiner Besatzung und so kurzer Expeditionsdauer überflüssig. Aber der Rat hatte entschieden, daß vorläufig bei allen Transitflügen einer dabeisein mußte, und Kiliman hatte die voraussichtliche Unterforderung in Kauf genommen, weil Atacama ihn darum gebeten hatte.
    Er begrüßte Kerala, die eben von Hirosh entlassen wurde, da sah er, daß der Arzt ihm winkte.
    „Kili, kommen Sie mal, ich will Ihnen was zeigen!“ Hirosh wies auf zwei Bildschirme. „Das Weckprotokoll, links Vienna, rechts Kerala, passen Sie auf, ich fahre ab!“
    „Völlige Übereinstimmung, meinen Sie das?“ fragte Kiliman.
    „Müßte Sie als Gesellschaftswissenschaftler doch interessieren?“
    „Sie meinen das Durieux-Theorem? Sehr umstritten.“
    „Ich weiß“, sagte Hirosh. „Obwohl Durieux weiter nichts behauptet hat, als daß die genetische Programmierung bis in die Gehirnstrukturen reicht, und versucht hat, das an eineiigen Zwillingen nachzuweisen. Den Prinzipienstreit darum haben nicht die Genetiker angefangen, sondern die Philosophen!“
    „Eine absolute, vorher festgelegte Prägung durch Erbinformation...“
    „... haben die Genetiker nie damit gemeint, weil das blanker Unsinn ist“, entgegnete Hirosh. „Bestimmend sind immer die gesellschaftlichen Einflüsse. Und wenn die unterschiedlich sind, entwickeln sich auch die Zwillinge unterschiedlich. Nur unsere beiden haben anscheinend eine sehr parallele Entwicklung genommen.“
    „Das ist nicht meine Spezialstrecke“, sagte Kiliman, „aber ich lasse mich gern aufklären, zumal das vielleicht auch für den CP von Bedeutung sein kann.“
    „Sie wissen, daß die Vernetzungen der Neuronen im Gehirn zufällig entstehen und sich zum Beispiel ein bestimmter äußerer Reiz bei verschiedenen Menschen in ganz verschiedenen Vernetzungen manifestiert, die aber das gleiche bedeuten?“
    „Bis dahin kann ich noch folgen, glaube ich.“
    „Na, sehen Sie, und bei Zwillingen, solange sie sich parallel entwickeln, sollen es die gleichen sein oder doch sehr ähnliche - das ist alles, was das Theorem besagt.“
    Der CP lachte plötzlich auf. „Wissen Sie, irgendwie sind wir beide ja komisch. Richtige Außenseiter. Die entdecken da drüben den Kosmos neu, und wir unterhalten uns über lauter irdischen Kleinkram.“
    „‘Hängt alles zusammen’, sagte der Hahn, als er den Regenwurm fraß.“ Hirosh wandte sich um und schaltete an seinen Apparaturen. „Ich wecke jetzt Elber, wollen Sie mithören?“
    Kiliman nickte und streifte sich ein Paar Hörer über. Er horchte in das Konzert hinein, das Elbers Organe veranstalteten, und irgend etwas schien ihm nicht zu stimmen an dieser seltsamen Musik. Er blickte Hirosh an und sah, daß der ein ernstes Gesicht machte. Erst dann bemerkte er, daß Elber immer noch nicht die Augen aufgeschlagen hatte.
    Hirosh nahm die Hörer ab, Kiliman tat das
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