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Ab die Post

Ab die Post

Titel: Ab die Post
Autoren: Terry Pratchett
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Der Ein-Monat-Prolog
    Unter den Klackerleuten grassierte eine… Krankheit.
    Sie ähnelte dem Leiden, das Seeleute »Sonnenstich« und »Skorbut« nannten: Nach Wochen auf einem spiegelglatten Meer, unter sengender Sonne, glaubten sie plötzlich, das Schiff wäre von grünen Feldern umgeben, und dann gingen sie über Bord.
    Manchmal glaubten die Klackerleute, dass sie fliegen konnten.
    Der Abstand zwischen den großen Semaphortürmen betrug etwa acht Meilen, und ganz oben befand man sich etwa fünfzig Meter über der Ebene. Es hieß, wenn man dort zu lange ohne Hut arbeitete, so wurde der Turm immer höher, und der nächste Turm kam immer näher, und dann dachte man vielleicht, dass man von einem Turm zum anderen springen oder auf den unsichtbaren Nachrichten reiten konnte, die zwischen ihnen unterwegs waren. Oder man hielt sich selbst für eine Nachricht. Manche glaubten, es wäre nur eine Funktionsstörung des Gehirns, verursacht vom Wind in der Takelung. Niemand wusste es genau. Wer fünfzig Meter über dem Boden in leere Luft tritt, hat nur selten Gelegenheit, später von seinen Erfahrungen zu berichten.
    Die Türme bewegten sich ein wenig im Wind, aber das war in Ordnung. Dieser Turm war völlig neu konstruiert. Er speicherte die Kraft des Winds für seine Mechanismen, und er bog sich, anstatt zu brechen. Er verhielt sich mehr wie ein Baum und weniger wie eine Festung. Man konnte den größten Teil davon auf dem Boden bauen und ihn in nur einer Stunde aufrichten. Es war ein Gebilde voller Anmut und Schönheit. Und mit dem neuen Klappensystem und den bunten Lichtern konnte dieser Turm Mitteilungen viermal schneller übermitteln als die alten.
    Besser gesagt: Er hätte sie viermal schneller übermitteln können, wenn es gelungen wäre, einige Probleme zu lösen…
    Der junge Mann kletterte schnell bis zum höchsten Punkt des Turms. Den größten Teil des Wegs nach oben legte er in grauem Morgendunst zurück, dann erreichte er herrlichen Sonnenschein, und der Dunst breitete sich unter ihm aus, reichte wie ein Meer bis zum Horizont.
    Er schenkte der Aussicht keine Beachtung. Er hatte nie davon geträumt zu fliegen. Stattdessen träumte er von Mechanismen, davon, sie besser funktionieren zu lassen als jemals zuvor.
    Derzeit wollte er herausfinden, warum das neue Klappensystem erneut klemmte. Er ölte die Schieber, überprüfte die Spannung der Drähte und schwang sich dann über die frische Luft, um die eigentlichen Klappen zu kontrollieren. Das war normalerweise nicht vorgesehen, aber jeder Klackermann wusste, dass man nur so weiterkam. Außerdem war es überhaupt nicht gefährlich, wenn man…
    Etwas klirrte. Der junge Mann blickte zurück und stellte fest, dass der Schnappverschluss der Sicherheitsleine auf dem Laufgang lag. Er sah den Schatten, fühlte den grässlichen Schmerz in den Fingern, hörte den Schrei und fiel…
    … wie ein Anker.
     

1
    Der Engel
Unser Held erfährt Hoffnung, das größte Geschenk – Das Schinkenbrötchen des Bedauerns – Ernste Reflexionen eines Henkers über die Todesstrafe – Berühmte letzte Worte – Unser Held stirbt – Gespräch über Engel – Die Unratsamkeit unangebrachter Angebote in Hinsicht auf Besenstiele – Ein unerwarteter Ritt – Eine Welt frei von ehrlichen Leuten – Ein humpelnder Mann – Man hat immer eine Wahl
     
     
    Es heißt, die Aussicht, am Morgen gehängt zu werden, hilft dem Geist eines Mannes, sich zu konzentrieren. Leider konzentriert er sich unweigerlich darauf, dass er in einem Körper steckt, der am Morgen gehängt werden soll.
    Liebevolle, aber unkluge Eltern hatten dem Mann, der gehängt werden sollte, den Namen Feucht von Lipwig gegeben, doch er wollte seinem Namen keine Schande bereiten – falls das noch möglich war –, indem er damit starb. Für die Welt im Allgemeinen und die des Todesurteils im Besonderen war er Albert Spangler.
    Er ging positiv an die Situation heran und hatte sich auf die Vorstellung konzentriert, am Morgen nicht gehängt zu werden, besonders darauf, mit einem Löffel all den Mörtel um einen Stein in der Wand seiner Zelle zu entfernen. Seit fünf Wochen arbeitete er daran, und der Löffel war inzwischen so abgenutzt, dass er einer Nagelfeile ähnelte. Glücklicherweise kam an diesen Ort niemand, um die Bettwäsche zu wechseln, sonst wäre die schwerste Matratze der Welt entdeckt worden.
    Der große und schwere Stein beanspruchte derzeit all seine Aufmerksamkeit. Ein großer Eisenring war darin eingelassen, um
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