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Abseitsfalle. Kadir Bülbüls zweiter Fall

Abseitsfalle. Kadir Bülbüls zweiter Fall

Titel: Abseitsfalle. Kadir Bülbüls zweiter Fall
Autoren: Louise Fu , Asmin Deniz
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Kapitel 1
- Anpfiff -
    »Mein
Teuerster, kannst du dir nicht einmal fünf Minuten deine Glimmstengel
verkneifen?«
    Renato
Contador, Chefanimateur und Travestiestar im Meridian Club, wedelte mit einer
Federboa in Richtung Kadir, der soeben seine Zigarette ausgedrückt hatte und nun
mit einem Lineal nach der Packung angelte, die an den Rand des Schreibtischs
gerutscht war.
    »Das
nennt man Abwehrtaktik. Sobald du und deine fünf Millionen Roben, Perücken, Abendkleider,
Stolen und irrwitzigen Kopfbedeckungen und namentlich du selbst keine
Parfumschwaden mehr ausdünsten, genau in diesem Moment gebe ich hier drinnen
das Rauchen auf.«
    Kadir
Bülbül, Sicherheitsbeauftragter im deutschen Meridian Club sowie in vier
anderen großen Hotels in Dereköy an der türkischen Riviera, hatte sich sein
Büro im Club von Anfang an mit Renato geteilt. Die anderen Hotels hatten Kadir
Büros in den Größenordnungen von Schuhkarton bis Besenkammer zur Verfügung
gestellt, und so managte er meistens alles vom Club aus. Was als Notlösung
gedacht war, entwickelte sich für beide zu einer Situation, die sie nicht mehr
missen wollten: Renato erhielt von Kadir ehrliche Kritik zu seinen Kostümen und
Plänen für die nächste Show, und wenn Kadir Clubangestellte wegen kleinerer
oder größerer Verstöße zu sich bitten musste, so entschärfte die schillernde Atmosphäre
des Raumes sofort den angespannten Moment.
    »Wo
wir gerade davon sprechen«, meinte Kadir gedehnt und begann, den Wust an
Papieren auf seinem Schreibtisch in kleine Häufchen zusammenzuschieben. »Was
ist das denn für ein Ding auf deinem Schädel? Du streifst fast die Decke mit
diesen ellenlangen Puscheln!«
    » Puscheln? «
Renato drehte sich in aufrichtigem Entsetzen von seinem dreiteiligen Spiegel
weg und klammerte sich an einen fahrbaren Garderobenständer, der so etwas wie
eine Grenze zwischen seinem und Kadirs Büropart markierte.
    »Silvestershow
im Sands in Vegas, anno 1959? Hallo? Halb Hollywood gab sich die Ehre
und feierte dort ins neue Jahrzehnt, die Show war ein Brüller!«
    »Und?«
    »Das
hier ist eine originalgetreue Nachbildung eines der Kostüme, das die Girls
trugen! Unsere gesamte Silvestershow wird auf die Glanzzeit von Vegas
ausgerichtet sein, auf das Jahrzehnt zwischen Fredo Corleone, Moe Greene, Bing
Crosby, Jimmy Durante und Rat Pack, oh, die Namen zerplatzen auf der Zunge wie Waldmeister
Ahoi-Brause! Es wird ein Traum, ein Fest der Sinne, ein Triumph, ein Feuerwerk
der Farben und Klänge und… oh, dein elendes Telefon klingelt! Immer dieser
abscheuliche Ton, der schmerzt wie eine Mittelohrentzündung!«
    »Mit
Mittelohrentzündung liegst du schon richtig«, meinte Kadir während er auf dem
Display nach der Nummer des Anrufers sah. »Big Boss himself, mir schwant nichts
Gutes. Efendim ?«
    »You
come over to my office und zwar im Hoppgalopp«, schallte es in aufgeregten
Tönen an Kadirs Ohr. Wozu kostbare Lebenszeit mit Grußformeln verschwenden,
dachte Kadir, wenn man auch gleich auf den Punkt kommen kann. Olli Reineckes Stimme
schnarrte weiter: »We have a most happy, but also a very strange and demanding
situation here. Coming soon, the
situation, I mean. And you come to my office, not soon, but now!«
    Kadir
legte auf und verdrehte die Augen.
    »Hat
er wieder in diesem englischen Kauderwelsch mit dir geredet?«, lachte Renato
und nahm seinen Kopfschmuck ab. Liebevoll strich er über die Federn. »Als ob
man ihn falsch programmiert hätte! Er weiß doch, dass du den Großteil deines
Lebens in Köln verbracht hast, auch wenn du ein niedliches, schwarzäugiges
Bübchen aus Dereköy bist.«
    Wenige
Augenblicke später saß Kadir in Olli Reineckes weitläufigem Büro in einem
Nebengebäude, in dessen Erdgeschoss Fitness-Studio, türkisches Hamam und der
Spa-Bereich lagen, während die oberen Räume dem Verwaltungspersonal vorbehalten
waren. Olli Reinecke stand am Panoramafenster, strich sich mit beiden Händen
sein kinnlanges Haar in geschmeidigem Bogen hinter die Ohren und schwieg einen
kunstvollen Moment, in dem er seinen Blick langsam wie ein König, der an den
Zinnen lehnt und seine Ländereien bis in ferne Horizonte überblickt, über die
Poolanlage, das seitlich gelegene Haupthaus und den Palmengarten gleiten ließ.
Dann drehte er sich ruckartig um und kehrte zu seinem Schreibtisch zurück. Mit
gespreizten Fingern stützte er sich auf und lehnte sich quer über den Tisch zu
Kadir, der ihn undurchdringlich, aber aufmerksam lächelnd
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