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Zerfetzte Flaggen

Zerfetzte Flaggen

Titel: Zerfetzte Flaggen
Autoren: Alexander Kent
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als fünfzehnhundert Meilen Küste zu überwachen hatten, war die Stärke der Kontinentalarmee, unterstützt von Britanniens altem Feind Frankreich, ständig gewachsen. Bisher hatte Frankreich zwar nicht offen eingegriffen, aber vermutlich würde es nicht mehr lange dauern, bis die vielen französischen Kaperschiffe, deren Jagdgebiet sich von der kanadischen Küste bis ins Karibische Meer erstreckte, ihre wahre Flagge zeigten. Danach war es nur noch eine Frage der Zeit, bis auch Spanien, obwohl vielleicht ungern, dem feindlichen Bündnis beitrat. Die Handelswege zum spanischen Mutterland waren die längsten von allen, und angesichts der Spannungen zwischen Spanien und England würde es wohl dem Druck der anderen beiden Mächte nachgeben und den Weg des geringsten Widerstandes gehen.
    All dies und noch mehr hatte Bolitho gehört und diskutiert, immer wieder, bis zum Überdruß. Ob gute oder schlechte Neuigkeiten eintrafen, die Rolle der Trojan wurde immer unbedeutender. Wie ein Felsblock lag sie nun schon seit Wochen hier im Hafen, mit gereizter Besatzung und Offizieren, die nur auf eine Gelegenheit hofften, von Bord gehen und ihr Glück auf kleineren, schnelleren und unabhängigeren Schiffen versuchen zu können.
    Bolitho dachte an sein letztes Kommando, die mit achtundzwa nzig Geschützen bestückte Fregatte Destiny. Selbst als ihr jüngster Leutnant und gerade erst vom Fähnrichslogis in die Offiziersmesse hinübergewechselt, hatte er unglaublich Aufregendes und Befriedigendes erlebt.
    Er stampfte mit dem Fuß auf, so daß der Wachtposten auf der anderen Seite des nassen Decks herumfuhr. Jetzt war er Vierter Offizier dieses verankerten Riesen, und es sah so aus, als würde er das für die nächste Zeit auch bleiben.
    Die Trojan wäre viel besser aufgehoben bei der Kanalflotte, dachte er: Manöver, Flaggezeigen bei den wachsamen Franzosen, und, wenn irgend möglich, an Land gehen in Plymouth oder in Portsmouth, alte Freunde aufsuchen… Bolitho wandte sich um, als er wohlvertraute Schritte von achtern über das Deck kommen hörte. Es war Cairns, der Erste Offizier, wie die meisten von ihnen an Bord, seit die Trojan im Jahre 1775 nach einer längeren Aufliegezeit in ihrer Bauwerft in Bristol wieder in Dienst gestellt worden war. Cairns war groß, schlank und sehr verschlossen. Falls er sich ebenfalls nach der nächsten Sprosse seiner Karriere sehnte, nach einem eigenen Kommando vielleicht, so zeigte er das nicht. Er lächelte selten, war aber trotzdem ein Mann von großem Charme. Bolitho mochte ihn gern und respektierte ihn. Oft fragte er sich, was Cairns wohl vom Kommandanten 1 hielt.
    Cairns blieb stehen und biß sich auf die Unterlippe, während er zur Takelage, zu dem sich auftürmenden Gewirr von Wanten und laufendem Gut, hinaufschaute. Dünn mit klebrigem Schnee bedeckt, sahen die Rahen aus wie die Zweige ungeheurer Fichten.
    Dann sagte er: »Der Kommandant wird bald zurückkommen. Ich bin auf Abruf bereit, also halte die Augen auf.«
    Bolitho nickte. Cairns war achtundzwanzig, während er selbst knapp einundzwanzig Jahre zählte, aber der Abstand zwischen dem Ersten und dem Vierten Offizier war größer, als das Alter es ausdrückte. Er wartete ein wenig und fragte dann beiläufig: »Irgend etwas bekannt über des Captains Mission an Land, Sir?«
    Cairns schien in Gedanken. »Ruf die Toppsgasten herunter, Dick, sie sind sonst so steifgefroren, daß sie nicht zupacken können, wenn das Wetter schlechter wird. Der Koch soll eine heiße Suppe ausgeben.« Er zog eine Grimasse. »Das wird dem geizigen Schmierlappen Freude machen.« Er blickte Bolitho an. »Welche Mission?«
    »Nun, ich dachte, vielleicht bekommen wir neue Befehle.« Er hob die Schultern. »Oder so etwas Ähnliches.«
    »Sicher, der Captain war beim Befehlshaber, aber ich bezweifle, daß wir etwas anderes zu hören bekommen als das übliche: erhöhte Wachsamkeit, Augen auf bei der Arbeit…«
    »Verstehe.« Bolitho blickte zur Seite. Er wußte nie genau, wann Cairns völlig ernst war und wann nicht.
    Dieser zog seinen Rock höher und hielt ihn über der Kehle zusammen.
    »Machen Sie weiter, Mr. Bolitho.«
    Sie grüßten beide durch Handanlegen an den Hut, die Zwanglosigkeit für den Augenblick beiseite lassend, dann rief Bolitho: »Fähnrich der Wache!« Er sah, wie sich eine der im Schutz des Hängemattnetzes lehnenden Gestalten löste und auf ihn zulief.
    »Sir!«
    Es war Midshipman 2 Couzens, dreizehn Jahre alt, eines der neuen
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