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Zerfetzte Flaggen

Zerfetzte Flaggen

Titel: Zerfetzte Flaggen
Autoren: Alexander Kent
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bewaffnet mit allem, was sie packen konnten: heruntergefallenen Entermessern, Beilen, eisernen Belegnägeln, irgend etwas, womit sie ihre alten Gegner treffen, umbringen oder jene zu Krüppeln schlagen konnten, die sie so lange gefangengehalten hatten.
    Bolitho glaubte, einem Wahn zu erliegen, aber das Ganze erwies sich als Wirklichkeit. Offensichtlich handelte es sich um englische Seeleute, die man in früheren Kämpfen gefangengenommen hatte, vielleicht war es sogar die ursprüngliche Besatzung dieser Brigg.
    Sie fegten durch die stark gelichteten Reihen wie eine Flutwelle, alles niederschlagend oder über Bord werfend, was sich ihnen in den Weg stellte. Unaufhaltsam drangen sie zum Achterschiff vor.
    Bolitho schrie: »Kommt, Jungs, eine letzte Anstrengung!«
    Dann rannte er hurrarufend und sinnlose Worte brüllend mit den anderen nach achtern. Sein Arm war schwer wie Blei, als er jetzt hackte, schlug und parierte, schnitt und niederstieß, was ihm in den Weg kam.
    Ein paar Schüsse schlugen noch im Deck ein, und ohne Warnung rutschte ein Mann ein Stag herab und zog eine Pistole aus dem Gürtel. Sein Gesicht war erstarrt vo r Konzentration, als er auf die heranstürmenden Gestalten zielte.
    Er mußte längst wissen, daß nichts mehr zu retten war, aber ein letzter Funke von Wut oder Stolz ließ ihn ausharren.
    Couzens fand sich plötzlich Auge in Auge mit diesem Mann. Bolitho sah, was sich abspielte, war aber mehrere Schritte entfernt, und Stockdale noch weiter weg.
    Bolitho schrie, so laut er konnte: »Wenn du schießt, bringe ich dich um!«
    Des Gegners Blick irrte keinen Zoll breit ab, und Bolitho wußte, daß er feuern würde; er sah sogar den Abzugshahn sich bewegen, als der Besessene den Finger krümmte.
    Plötzlich flog eine Gestalt wie ein Pfeil über den Haufen von Tauwerk und Segeln und warf sich zwischen die Pistole und den wie gelähmt dastehenden Couzens, genau im Augenblick des Schusses.
    Bolitho rannte weiter und fing Quinn, denn dieser war es, noch im Fallen auf. Er sah nicht mehr, wie Stockdales gewaltiges Entermesser zuschlug, aber er hörte das erstickte Grunzen, als der Mann starb.
    Bolitho hielt Quinn in seinen Armen und ließ ihn langsam an Deck gleiten. Er sah, daß nichts mehr zu retten war. Die Kugel hatte Quinns Magen durchschlagen, alles schwamm in Blut.
    Quinn keuchte: »Tut mir – leid… Sie zu – verlassen, Sir!«
    Bolitho hielt ihn fest, er wußte, daß Stockdale ihm den Rücken deckte und daß Couzens auf der anderen Seite von Quinn hemmungslos schluchzend auf dem Deck kniete.
    »Dick«, sagteer, »nicht „Sir“!«
    Er fühlte sich selbst den Tränen nahe. Was alles noch schlimmer machte, waren die Hurrarufe. Achtern – in einer anderen Welt – holten seine jubelnden Seeleute und die befreiten Gefangenen die Flagge herunter, beobachtet vom Kapitän der Revenge, der im letzten Ansturm noch schwer verwundet worden war.
    Bolitho sagte zu Quinn: »Wir haben gesiegt, James. Es ist geschafft!
    «
    Quinn lächelte, sein Blick richtete sich nach oben auf die zerrissene Takelage und die zerfetzte Flagge.
    »Du hast gesiegt!«
    Es fiel ihm schwer zu sprechen, seine Haut sah aus wie feuchtes Wachs. Er knöpfte Quinns Hemd auf und sah die ungeheure, grauenhafte Narbe von dessen erster Verwundung.
    Mit seiner freien Hand löste er Quinns Gürtel und sagte sanft: »Und du solltest als Passagier mitfahren. Aber ohne dich wäre der junge Couzens jetzt tot. Ich werde dafür sorgen, daß sie in England von deiner Tapferkeit hören!«
    Quinns Augen wandten sich Bolitho zu. »Ich habe keine Angst mehr –«, er hustete, etwas Blut floß über sein Kinn –, »Dick.«
    Bolitho wollte noch etwas sagen, aber im selben Augenblick sah er das Licht in Quinns Augen verlöschen wie eine Kerze, die ausgeblasen wird.
    Sehr vorsichtig ließ er den leblosen Körper auf das Deck gleiten und stand auf.
    Stockdale berührte ihn am Ellbogen. »Sir, die Leute blicken Sie an.«
    Bolitho nickte, seine Augen waren beinahe blind vor Anstrengung und innerer Bewegung.
    »Danke, Stockdale. Ja.«
    Er trat den abgekämpften, aber strahlenden Seeleuten gegenüber.
    Der Sieg war wirklich sehr knapp gewesen, aber diese Männer hatten ihr Allerletztes gegeben. Sie verdienten jetzt auch seine letzte, äußerste Anstrengung, ohne Rücksicht darauf, was er im Augenblick empfand.
    Ruhig sagte er zu ihnen: »Das habt ihr gut gemacht! Eine so kleine Besatzung, aber die beste von allen!«
    Drei Tage danach liefen die beiden Prisen
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