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Zerfetzte Flaggen

Zerfetzte Flaggen

Titel: Zerfetzte Flaggen
Autoren: Alexander Kent
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Tonpfeife.
    »George Probyn war wohl wieder blau, Dick?«
    Bolitho grinste. »Es wird allmählich zur Gewohnheit.«
    Sparke, der Zweite Offizier, ein Mann mit strengem Gesicht und einer münzgroßen Narbe auf der Wange, sagte: »Ich würde ihn vor den Captain bringen, wenn ich hier der Senior wäre.« Er wandte sich wieder seinem zerlesenen Zeitungsblatt zu und fuhr dann heftig fort: »Diese verdammten Rebellen scheinen zu machen, was sie wollen! Zwei weitere Transporte überfallen, genau vor den Nasen unserer Fregatten, eine Brigg aus dem Hafen verschleppt, durch eins ihrer verdammten Kaperschiffe! Wir gehen viel zu sanft mit ihnen um!«
    Bolitho setzte sich und streckte die Beine aus, dankbar, nicht mehr dem kalten Wind ausgesetzt zu sein, obgleich er wußte, daß die Illusion von Wärme bald wieder schwinden würde.
    Sein Kopf sackte vornüber, und als Mackenzie den Kaffee brac hte, mußte er ihn an der Schulter wachrütteln.
    In geselligem Schweigen entspannten sich hier die Offiziere der Trojan und taten, wozu sie Lust hatten. Einige lasen, andere schrieben nach Hause – Briefe, die möglicherweise den Empfänger nie erreichten.
    Bolitho trank den Kaffee und bemühte sich, den Schmerz in seiner Stirn zu ignorieren. Gedankenversunken strich er sich die widerspenstige Stirnlocke vom rechten Auge. Das schwarze Haar verdeckte eine bläuliche Narbe, die Ursache seines Kopfschmerzes.
    Er hatte sie sich während seiner Zeit auf der Destiny geholt. Oft kam es wieder über ihn, in Augenblicken wie diesem: die Illusion von Sicherheit, dann das plötzliche Getrappel von Füßen, das Schlagen und Hacken von Waffen. Der heftige Schmerz, das Blut, die jähe Nacht… Es klopfte an die äußere Tür, und kurz darauf sagte Mackenzie zu Sparke, dem dienstältesten anwesenden Offizier: »Verzeihung, Sir, der Fähnrich der Wache ist hier.«
    Dieser stapfte so vorsichtig in die Messe, als schritte er über kostbare Seidenteppiche.
    Sparke fragte kurz angebunden: »Was gibt es, Mr. Forbes?«
    »Der Erste Offizier bittet alle Offiziere um zwei Glasen 4 in die Kommandantenkabine. «
    »Ist gut.« Sparke wartete, bis die Tür geschlossen war. »Jetzt werden wir’s erfahren, meine Herren. Vielleicht gibt es Wichtiges für uns zu tun.«
    Anders als Cairns konnte der Zweite Offizier das plötzliche Aufleuchten seiner Augen nicht verbergen: dies bedeutete Beförderung, Prisengeld oder auch nur die Aussicht auf eigenen Einsatz, anstatt immer nur von anderen darüber zu hören.
    Er sah Bolitho an. »Ich rate Ihnen, ein reines Hemd anzuziehen.
    Der Captain scheint Sie besonders im Auge zu haben.«
    Bolitho streifte beim Aufstehen mit dem Kopf den Decksbalken.
    Zwei Jahre war er jetzt an Bord, aber außer bei einem Essen in der Kajüte zur Feier der Wiederindienststellung des Schiffes in Bristol hatte er die soziale Barriere zum Kommandanten nie überschritten: einem strengen, verschlossenen Mann, der trotzdem eine geradezu unheimliche Kenntnis von allem zu besitzen schien, was sich in den verschiedenen Decks seines Schiffes abspielte.
    Dalyell klopfte sorgfältig seine Pfeife aus und bemerkte: »Vielleicht mag er dich wirklich, Dick.«
    Raye, der Leutnant der Marineinfanterie, gähnte.
    »Ich glaube nicht, daß er überhaupt menschlicher Regungen fähig ist.«
    Sparke eilte in seine Kabine, es widerstrebte ihm, in die Kritik an der Obrigkeit hineingezogen zu werden. »Er ist der Kommandant, er bedarf keiner menschlichen Regungen«, stellte er abschließend fest.
    Kapitän zur See Gilbert Brice Pears las die letzte Eintragung im Logbuch und setzte dann seine Unterschrift darunter, die von Teakle, seinem Sekretär, hastig getrocknet wurde.
    Draußen, außerhalb der Heckfenster, schienen Hafen und Stadt weit entfernt und ohne die geringste Verbindung zu dieser geräumigen, hell erleuchteten Kajüte. Sie war geschmackvoll möbliert, und im angrenzenden Speiseraum war schon zum Abendessen gedeckt. Foley, der Kommandantensteward, stand, adrett in blauem Jackett und weißer Hose bereit, seinen Herrn zu bedienen.
    Kapitän Pears lehnte sich im Sessel zurück und betrachtete die Kabine, jedoch ohne sie wirklich zu sehen. Nach zwei Jahren kannte er sie genau. Er war zweiundvierzig Jahre alt, wirkte aber älter. Untersetzt, ja sogar vierschrötig, war er genauso mächtig und beeindruckend wie die Trojan selbst. Er hatte Gerede unter seinen Offizieren gehört, das schon fast auf Unzufriedenheit hinauslief. Der Krieg – als solcher mußte er jetzt wohl
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