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Zerfetzte Flaggen

Zerfetzte Flaggen

Titel: Zerfetzte Flaggen
Autoren: Alexander Kent
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überhört. Es war der Tonfall des Kommandanten. Lag darin nicht eine leise Andeutung von Zweifel? Er blickte seine Kameraden an, entdeckte aber nichts in ihren Mienen. Vielleicht bildete er es sich nur ein oder suchte einen Ausgleich für sein vorheriges Unbehagen über Pears Ton.
    Dieser fuhr fort: »Was diesmal auch passieren mag, wir dürfen in unserer Wachsamkeit nie nachlassen. Dieses Schiff ist unsere Hauptverantwortung, das müssen wir uns immer wieder vor Augen halten. Der Krieg ändert sich von Tag zu Tag. Wer gestern noch ein Verräter war, ist morgen ein Patriot. Ein Mann, der dem Ruf seines Vaterlandes gefolgt ist –«, ein schiefes Lächeln in Sparkes Richtung –, » wird jetzt Loyalist genannt, als ob er und nicht die anderen Ausgestoßene seien.«
    Der Navigationsoffizier, Master Erasmus Bunce, stand langsam auf; seine Augen starrten unter einem Decksbalken hervor wie zwei glühende Kohlen. »Ein Mann muß handeln, wie ihm sein Gewissen befiehlt, Sir. Gott allein wird entscheiden, auf wessen Seite in diesem Konflikt das Recht ist.«
    Pears lächelte ernst. Der alte Bunce war bekannt für seinen Glauben.
    In Portsmouth hatte er einmal einen Seemann ins Wasser geworfen, nur weil dieser in der Trunkenheit ein Spottlied gesungen hatte, in dem der Name des Herrn verunglimpft wurde.
    Bunce stammte aus Devonshire und war im Alter von neun oder zehn Jahren zur See gegangen. Angeblich war er jetzt über sechzig, aber Pears konnte sich nicht vorstellen, daß er jemals jung gewesen war.
    Er sagte: »Genauso ist es, Mr. Bunce. Das war gut gesagt.«
    Cairns räusperte sich und blickte den Master nachsichtig an.
    »War das alles, Mr. Bunce?«
    Dieser setzte sich mit verschränkten Arme. »Es sei genug.«
    Der Kapitän gab Foley ein Zeichen. Dafür brauchte es keine Worte, dachte Bolitho.
    Gläser und Weinkrüge wurden herumgereicht, dann sagte Pears: »Einen Toast, meine Herren. Auf das Schiff, und Verderben allen Feinden des Königs!«
    Bolitho beobachtete Probyn, der nach einem der Krüge Ausschau hielt, da sein Glas bereits wieder leer war.
    Er dachte an des Kommandanten Stimme, als dieser von dem Schiff gesprochen hatte. Gott gnade George Probyn, wenn der die Trojan eines Tages auf Dreck setzen sollte, weil er ein Glas zuviel getrunken hatte.
    Bald darauf war die Versammlung beendet, und Bolitho stellte fest, daß er dem Kommandanten noch immer nicht nähergekommen war – außer durch eine Rüge.
    Er seufzte. Als Fähnrich glaubte man, das Leben eines Offiziers spiele sich in einer Art Himmel ab. Aber vielleicht hatten selbst Kommandanten immer noch jemanden, den sie fürchten mußten, obgleich es im Augenblick schwierig war, dies zu glauben.
    Die Morgendämmerung kam, das Wetter wurde ein wenig sichtiger, aber nicht viel. Der Wind blies weiter steif aus Nordwest, und das Schneegestöber wurde bald von Nieselregen abgelöst, der sich mit dem verwehten Gischt mischte und Decks wie Takelage matt glänzen ließ.
    Bolitho hatte mehr Auslaufmanöver erlebt, als er sich erinnern konnte, aber noch immer bewegte und erregte ihn die Art und Weise, wie sich jeder in die Kommandokette einfügte und dadurch das Schiff zu einem lebenden Wesen machte, zu einem vollkommenen Instrument.
    Jeder Mast hatte seine eigene Abteilung von Seeleuten, vom flinken Toppsgast bis zu den älteren, weniger beweglichen Männern, die an Deck die Brassen und Fallen bedienten. Wenn die Kommandos und Pfeifsignale ertönten und die Seeleute dann durch die Luken und durch die Niedergänge an Deck strömten, schien es unglaublich, daß der Rumpf der Trojan, der von der Galionsfigur bis zur Heckreling siebzig Meter maß, so viele Menschen enthielt.
    Jedoch in Sekundenschnelle formierten sich diese dahinhuschenden Gestalten von Männern, Jungen und Seesoldaten zu Gruppen, deren jede von Unteroffizieren mit Stentorstimmen aufgerufen und kontrolliert wurde.
    Das große Ankerspill drehte sich bereits, genau wie sein Zwilling ein Deck tiefer, und unter seinen Füßen meinte Bolitho des Schiffes Erregung zu verspüren, seinen Eifer, Kurs auf die offene See zu nehmen.
    Genau wie die Seeleute und Seesoldaten waren auch die Offiziere auf ihren Stationen. Probyn war, unterstützt von Dalyell, auf der Back für den Fockmast verantwortlich. Sparke hatte das Kommando auf dem oberen Batteriedeck und war für den Großmast verantwortlich, der die eigentliche Stärke des Schiffes ausmachte – mit all seinen Spieren, Stagen, der Leinwand und den Meilen von
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