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Zeit der Idioten

Zeit der Idioten

Titel: Zeit der Idioten
Autoren: Bernhard Moshammer
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Gott und Religion, vergesst alle Bücher, die euch irgendeinen Sinn aufs Auge drücken wollen, vergesst alle eure Helden, vergesst Bob Dylan, vergesst alles. Es gibt genau eine Antwort auf alle Fragen dieses traurigen Lebens. Eine Antwort:
Bummm!
    Und jetzt, hochverehrtes Publikum, schalte ich mein Handy aus und höre einfach auf zu denken.

15. ROCK’N’ROLL PT. 3
    Über den Alltag hinaus, in eine mögliche,
temporäre Alternative.
    »Scheiße, Cornelius! Weißt du, wie spät es ist?«, brüllt Bob mich an. »Wir sind voll! Bis auf den letzten Platz! Es sind ungefähr zwanzig Journalisten und Fotografen hier! Der verdammte
Rolling Stone
, Mann!«
    Seine Sprache strotzt nur so vor Rufzeichen! Johanna umarmt mich und wünscht mir viel Glück.
    »Wo bist du gewesen? Ich habe dich ungefähr dreihundertmal angerufen! Deine Sachen stehen schon auf der Bühne! Snakes Gitarre und der Verstärker mit dem neuen Speaker, genau wie er es vorgesehen hat, okay?«
    »Okay«, sage ich und dränge mich durch die Menge.
    »Warte noch! Ich dachte mir, ich lege noch schnell
Like a Rolling Stone
auf, dann gehe ich auf die Bühne und kündige dich an, okay?«
    »Okay.«
    »Was hast du da? Ist das ein Computer?«
    »Ja.«
    »Wozu brauchst du den?«
    »Für meinen neuen Song.«
    »Du machst jetzt aber nicht Techno oder so …«
    »Nein.«
    »Okay, du weißt hoffentlich, was du tust!«
    »Ja.«
    Finger berühren meine Schultern, Hände klopfen meinen Rücken. Ich scheine plötzlich drei Millionen Freunde zu haben.
How does it feel?
singt der echte Bob. Ich kann dir sagen, wie es sich anfühlt, Bob. Es fühlt sich überhaupt nicht an, verstehst du? Und weißt du was? Das ist gut so. Gefühle sind gefährlich. Sie führen dich immer auf die falsche Fährte. Gefühle sind falsch. Aber du hast Recht, letztendlich ist jeder allein und es führt kein Weg nach Hause zurück. Und du? Wo bist du jetzt? Jetzt solltest du hier sein und meinem Vortrag lauschen. Jetzt rede ich. Aber es ist gut, alles ist gut. Ich bin ganz ruhig.
    Der falsche Bob steigt auf die Bühne und geht zum Mikrofon. Selbstverständlich pfeift es – das Leben lässt kein Klischee aus.
    »Okay: Test Test, eins zwo. Dreht das ab. Johanna, würdest du Bob Dylan bitte zum Schweigen bringen, haha. Also, Leute! Es ist soweit! Ihr habt lange genug gewartet, aber das Warten hat sich gelohnt! Das für heute ursprünglich geplante Konzert
Snake Rattle & Roll
fällt leider aus euch allen bekannten Gründen ins Wasser, aber der Abend ist selbstverständlich nur
einem
Mann gewidmet: Snake of Bölling!«
    Vereinzeltes Geklatsche, ein paar Pfiffe. Diese Idioten scheinen nicht zu wissen, warum sie hier sind, aber irgendwer oder irgendwas wird ihnen schon vermittelt haben, dass dieser Abend ein gesellschaftliches Muss darstellt.
    »Ihr seid nicht umsonst gekommen, meine Freunde!«, fährt Bob, der Moderator, fort. »Ein Mann ist hier unter uns, der eure Aufmerksamkeit verdient. Es ist nicht irgendein Mann. Es ist der Mann, der überlebt hat! Und er hat euch etwas zu sagen! Er hat einen ganz speziellen Song mitgebracht! Ladies and Gentlemen, zum ersten Mal live im Fiesta in Bölling! Corneliuuuuus Fiiiiiiiink!!!«
    Die Blitzlichter blenden mich, das Gegröle der Idioten kotzt mich an, aber irgendwie, ich weiß auch nicht, dringt es nicht einmal ganz zu mir durch. Ich nehme es nur am Rande wahr. Um mich herum ist so was wie ein unsichtbarer Schild. Ich halte mein Notebook fest und will auf die Bühne, aber ich muss mich abstützen. Bob, der Roadie, beugt sich zu mir und nimmt mir das Notebook weg.
    Ich stemme mich schnell nach oben, ziehe es ihm wieder aus der Hand und lege es vorsichtig neben den Verstärker. Ich bin wirklich ruhig. Es ist eine seltsame Ruhe. Ich habe keine Angst. So muss sich Meine Wenigkeit gefühlt haben. Was, wenn Bob das Notebook jetzt aus den Händen geglitten wäre? Mir egal, dann wär’s halt gleich passiert.
    Ich nehme die Gitarre, sie ist gestimmt. Ich drehe den Volumeregler vorsichtig nach rechts. Das wohltuende, gute, alte Gebrumme bringt den ganzen Raum zum Schweigen. Ich spiele einen G-dur-Akkord.
    Jessasmarandjosef! Das ist genau das, was ich immer wollte. Ich stehe oben vor dem Mikro, der Raum ist gerammelt voll und alle schauen auf mich. Okay, was soll’s, ich spiele einen Song. Ich muss das jetzt ausnutzen und voll auskosten. Das ist meine letzte Chance.
    Ich drehe voll auf und spiele schnelle, abgedämpfte Achtelnoten auf der E-Saite. Ich fange ganz unten
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