Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeit der Idioten

Zeit der Idioten

Titel: Zeit der Idioten
Autoren: Bernhard Moshammer
Vom Netzwerk:
ist die Gegend, in der ungefähr sechzigtausend Juden lebten, bevor sie von den Nazis zum offiziellen Feind und Freiwild erklärt wurden. Heute scheinen es ein paar Familien zu sein. Das war wirklich der verrückteste Film der Geschichte. Die größte Produktion, das größte Budget und der größte Verschleiß an Material und Schauspielern. Österreich leidet noch immer, hat die schlechten Kritiken immer noch nicht überwunden. Aber dieser Film hier könnte was werden. Wenn ich mich darum kümmere. Ich werde einfach die Regie übernehmen. Das wird meine definitive Wiedergutmachung. Die Zeit ist reif.
    Da vorne steht ein Liebespaar. Zwei junge Menschen. Sie können nicht voneinander lassen, befummeln sich, sind in einem ewigen Kuss gefangen. Ihre Zungen schnellen, amphibischen Wesen gleich, immer wieder zwischen ihren Lippen hervor. Sie bilden eine perfekte Einheit. Man kann nicht einmal erkennen, welcher Arm jetzt zu wem gehört, so voller Leidenschaft und chaotischer, primitiver Poesie ist ihr Bild.
    Es ist die Liebe selbst, die hier steht. Sie passt so was von überhaupt nicht in diese Szene, es ist perfekt. Steht mitten in der Welt und sieht nichts, hat keine Ahnung. Die hat einfach keine Ahnung.
    Da ist die Haidgasse. Ich gehe schneller. Ich bin hier und ich sehe klar. Ich bin der Mann der Stunde und jetzt ist meine Zeit gekommen. Ihr werdet schon sehen. Ich bin sicher nicht der Verrückte. Ich bin kein Idiot.
    Da läutet mein Handy.
    »Ja?«
    »Cornelius, hier ist Bob. Hast du das von Snake gehört?«
    »Ja.«
    »Das ist schrecklich. Sogar Andrea ist völlig fertig. Sie flennt schon seit zwei Stunden, sagen die Kinder.«
    »Aha.«
    »Cornelius, bist du okay?«
    »Nein. Ja.«
    »Sicher? Du, ich hab mir was überlegt. Du musst heute spielen. Wir sind ausverkauft. Sogar irgendwelche Medientypen haben schon angerufen. Hörst du? Du musst einfach spielen! Für Snake!«
    »Ja.«
    »Du kommst also?«
    »Ja.«
    »Super! Wo bist du? Ist wirklich alles in Ordnung?«
    »Ja, Bob.«
    »Und noch was: Da ist so ein Typ, der kommt schon seit längerem zu mir ins Lokal und quetscht mich aus; der interessiert sich für dich, will dich kennenlernen. Er schreibt für den deutschen
Rolling Stone
, sagt er. Ich soll dir nix sagen, aber ich sag’s dir trotzdem. Wozu hat man Freunde? Ist das nicht fantastisch?«
    »Weiß nicht. Ja.«
    »Also bis dann, Cornelius.«
    »Ja.«
    »Hast du diesen Song geschrieben?«
    »Ja, Bob.«
    »Gut. Und, äh, das mit Johanna tut mir leid, aber ich liebe sie. Ich habe noch nie jemanden so geliebt, verstehst du, Cornelius?«
    »Und Andrea? Und deine Kinder?«
    »Keine Ahnung. Ist mir egal. Ich weiß, ich klinge wie ein Arsch, aber es ist die Wahrheit. Es ist mir egal. Es muss einfach gehen. Irgendwie. Ich liebe sie, verstehst du?«
    »Ja, Bob. Sicher.«
    »Warte kurz. Johanna möchte dir was sagen. Einen Moment.«
    »Cornelius, hier ist Johanna. Wie geht es dir?«
    »Naja.«
    »Cornelius, es tut mir so leid.«
    »Ja. Sicher.«
    »Du musst dich schrecklich fühlen. Bleib jetzt nicht allein, hörst du? Bis heute Abend. Ich freu mich auf dein Konzert. Ich geb dir noch einmal Bob, bleib dran.«
    »Also dann, Cornelius. Wann kommst du?«
    »Weiß nicht, irgendwann. Am Abend.«
    »He, das geht nicht. Du musst früher kommen. Um fünf ist Soundcheck, okay? Um acht Einlass, hörst du? Wir sind ausverkauft.«
    »Ich leg jetzt auf. Bis dann.«
    Ihr beschissenen, falschen, letztrangigen, elenden Charakterschweine!
    Zehn Uhr. Haidgasse.
Bummm! Partyservice & Eventcatering
.
    »Ja?«
    »Mein Name ist Fink …«
    »Was ist mit der Nachspeise?«
    »Die Schokolade ist nachbestellt.«
    »Im Hof vorne links.«
    Ich gehe durch den Hof. Vorne auf der linken Seite ist eine Tür mit dem
Bummm!
-Logo drauf. Eine Cartoon-Bombe, daneben Messer und Gabel. Ich trete ein in ein stinknormales Büro. An den Wänden hängen unzählige eingerahmte Fotos. Auf jedem dieser Fotos stehen Prominente vor einem
Bummm!
-Buffet. Lauter ahnungslose, erfolgreiche Österreicher. Lauter Arschlöcher.
    »Wenn Sie bitte weiterkommen, der Chef erwartet Sie«, sagt eine Sekretärin.
    »Danke«, sage ich und komme weiter.
    »Herr Fink, wenn ich richtig informiert bin«, sagt der Chef, ein gediegener Businessmann, noch keine dreißig, schätze ich, mit schwarzem Anzug und Gelfrisur.
    »Ja.«
    »Ich bin über Ihr Vorhaben informiert. Ich habe Daten zur Größe des Zielgebäudes sowie zu Ihrer privaten und beruflichen Situation. Es tut mir leid.«
    »Was
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher