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Zeit der Idioten

Zeit der Idioten

Titel: Zeit der Idioten
Autoren: Bernhard Moshammer
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das dir widerfährt, von dieser Kraft ausgeglichen wird. Du wirst somit ohne dein Zutun ein Urvertrauen entwickeln, das dich durch dein ganzes Leben führen und alles ertragen lassen wird. Denn in dieser Welt der Gegensätze kannst du dich immer darauf verlassen, dass nach dem Sonnenschein der Regen, nach dem Tag die Nacht, nach dem Kuss die Ohrfeige folgt. Alles dreht sich im Kreis. Nichts besteht. Und das auszuhalten ist nicht leicht. Ich würde sogar sagen, es ist das Schwierigste! Mir hat der Gstettner diese Flasche weggenommen. Vielleicht habe ich sie auch nicht verdient, das weiß ich nicht. Aber du hast sie! Vergiss das nie!
    Ich hab dich lieb, Cornelius

14. BUMMM!
    Die Schokolade ist nachbestellt.
    »Hallo?«
    »Ja?«
    »Äh, hier Cornelius Fink …«
    »Ich weiß. Was kann ich für Sie tun, Cornelius?«
    »Ich … ich brauche was …«
    »Okay. Wo sind Sie?«
    »In Wien. Ich bin mit dem ersten Frühzug gefahren.«
    »Ja. Das ist gut. Wo sind Sie gerade?«
    »Äh, irgendwo, ich gehe einfach so durch die Stadt …«
    »Okay. Möchten Sie, dass ich mich um alles kümmere?«
    »Was?«
    »Möchten Sie, dass ich mich um alles kümmere?«
    »Ich werde mich selbst um alles kümmern.«
    »Ich weiß, aber wir –«
    »Jaja, ich muss Sie noch was fragen. Warum haben Sie mir Ihre Nummer gegeben? Ich meine, ich könnte damit direkt zur Polizei gehen oder so.«
    »Ich bin in diesen Dingen ausgebildet, verstehen Sie? Sagen wir einfach, Menschenkenntnis gehört zu meinen besseren Eigenschaften. Außerdem haben wir Ihre Geschichte verfolgt.«
    »Meine Geschichte verfolgt? Und wer ist
wir
? Was soll das heißen?«
    »Nun, solange Sie in Wien gewohnt haben, haben wir Sie beobachtet, Daten über Ihre Kindheit gesammelt und so weiter. Und in Bölling ist einer unserer Männer seit geraumer Zeit Stammgast im Fiesta, Sie kennen ja Bob.«
    »Bob? Was hat der damit zu tun?«
    »Nichts. Gar nichts, aber er ist, sagen wir, sehr redselig. Sie verstehen?«
    »Ja. Aber was macht Sie so sicher?«
    »Ich weiß, wie es Ihnen geht, Cornelius. Ich weiß, wie Sie sich fühlen.«
    »Ach ja? Dann sollten wir uns vielleicht einmal unterhalten. Ich hab nämlich keine Ahnung, wie’s mir geht. Ich fühle so gut wie nichts.«
    »Dazu fehlt es uns an Zeit.«
    »Jaja. Wenn Sie alles wissen, wissen Sie ja auch, dass ich kein Geld habe.«
    »Ja. Es geht nicht um Geld. Ich meine, natürlich tut es das, aber wir wollen kein Geld von Ihnen.«
    »Gut. Aber worum geht’s wirklich? Warum tun Sie das? Was haben Sie davon?«
    »Ich arbeite für eine Firma, deren Eigentümer ich nicht nennen darf. Sie ist auf soziale Präventivmaßnahmen in Sachen Kriminalität spezialisiert. Videoüberwachung, Gebäudesicherung, Alarmanlagen et cetera. In gewisser, zugegebenermaßen etwas paradoxer Weise profitieren wir von der Angst der Menschen und der instabilen sozialen und politischen Lage der …«
    »Wissen Sie was? Eigentlich interessiert mich das einen Scheiß. Nix für ungut, aber ich will es gar nicht wissen. Sagen Sie mir einfach, was ich tun soll.«
    »Sie müssen in den zweiten Bezirk. Kennen Sie sich da aus?«
    »Ja, ich habe dort gewohnt.«
    »Ich weiß. In der Haidgasse gibt es das
Gasthaus zum Sieg
. Kennen Sie das?«
    »Ja.«
    »Daneben ist ein Hauseingang. Läuten sie bei
Bummm! Partyservice & Eventcatering

    »
Bummm?
Jessasmarandjosef, ihr habt eure eigene Vorstellung von Spaß, hab ich Recht?«
    »Spaß ist in Ordnung, aber von ziemlich geringer Bedeutung für uns. Wir bevorzugen Geschäftliches.«
    »Kann ich mir vorstellen.«
    »Also, Sie melden sich mit Fink, und wenn eine männliche Stimme Sie fragt: ›Was ist mit der Nachspeise?‹, dann antworten Sie: ›Die Schokolade ist nachbestellt‹. Ist das klar?«
    »Sie spinnen. Aber ja, es ist klar.«
    »Gut. Das Büro ist ab zehn Uhr besetzt. Noch Fragen?«
    »Nein.«
    »Alles Gute, Cornelius.«
    »Nein.«
    Wie gesagt, wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, kommt der Berg eben zum Propheten. Ich mache mich auf den Weg in die Haidgasse. In der U-Bahnstation Schwedenplatz komme ich direkt in so was wie eine Razzia hinein. Ein Haufen Obdachloser wird von ungefähr doppelt so vielen Polizisten oder Soldaten durchsucht. Sie müssen ihr dürftiges Hab und Gut auf den Boden kippen. Ein Polizist bittet mich, meine Hände hochzunehmen und meine Hosentaschen umzustülpen. Es gäbe keinen Grund zur Sorge, meint er, aber den Obdachlosen sei schon des öfteren bombenähnliches, explosives Material untergejubelt
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