Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeit der Idioten

Zeit der Idioten

Titel: Zeit der Idioten
Autoren: Bernhard Moshammer
Vom Netzwerk:
er?«, fahre ich ihn an.
    »He he, ganz ruhig. Sie meinen den Verdächtigen Firngruber Johann?«
    »Wen denn sonst? Er ist mein Freund!«
    »Sie sollen sich beruhigen. Der Verdächtige ist verletzt und in Sicherheit. Ich darf niemandem Auskunft geben. Und jetzt schauen Sie, dass Sie weiterkommen. Wir haben hier einen Job zu erledigen.«
    »Was soll er denn getan haben?«
    »Kein Kommentar.«
    »Entschuldigen Sie, sind Sie nicht Cornelius Fink, der Mann, der den ersten Terroranschlag in Wien überlebt hat?«, fragt mich einer der Journalisten. Es ist schon wieder dieser zwergenhafte Typ vom
News
-Magazin.
    »Leck mich«, sage ich und laufe weiter. In meinem Rücken spüre ich Blitzlichter.
    »Ich bin wegen Ihnen hier. Ich kann Ihnen helfen!«, ruft er mir nach. Ich bleibe stehen. Er läuft mir nach.
    »Was wollen Sie eigentlich von mir?«, frage ich schroff.
    »Ich möchte Sie unterstützen. Ich habe von Ihrem Konzert morgen gehört und will was darüber schreiben. Einen großen Bericht. Soll ich Sie mit nach St. Pölten nehmen?«
    »Ja«, sage ich völlig grundlos, aber ich muss einfach weg hier. Weg aus diesem Scheißkaff. Eine Viertelstunde lang schweigen wir.
    »Hören Sie«, sagt der Mann dann auf einmal, »ich will Sie nicht beunruhigen, aber ich glaube, Ihr Freund, also dieser Firngruber – ich glaube, der ist tot.«
    »Was?«
    »Die Bullen haben nur gesagt, er habe versucht, sich das Leben zu nehmen, und angeblich ist er ins Spital nach St. Pölten gebracht worden. Aber so wie der ausgesehen hat, glaube ich nicht, dass er noch gelebt hat.«
    »Entschuldigung, können Sie kurz stehen bleiben?«, frage ich, steige aus dem Auto und kotze mitten auf die Straße. Gelbe, schleimige Flüssigkeit. Ich habe schon seit einer Ewigkeit nichts mehr gegessen.
    »Wie hat er’s gemacht?«, frage ich dann.
    »Mit einem Gewehr, glaube ich. Wie Kurt Cobain, hat einer meiner Kollegen gesagt. Sie haben ihn auf dieser Bahre rausgetragen, aber die Decke war verrutscht. Sein Gesicht war blutüberströmt. Hat er eins gehabt? Ein Gewehr, meine ich.«
    »Weiß nicht. Leicht möglich, sein Onkel ist Fleischhauer und Jäger. Wissen Sie, warum er das getan hat?«
    »Jemand hat ihn angezeigt. Die haben vermutet, dass er eine Bombe baut. Sie wissen ja, das vermuten die jetzt bei der minimalsten Abweichung von der sogenannten Norm. Die Norm ist jetzt Pflicht. Aber ich habe durch’s Fenster geschaut und glaube, dass er so was wie Instrumente oder Verstärker repariert hat. Halten Sie das für möglich?«
    »Sicher! Sicher, das war’s. Ganz bestimmt. Er hat sechs oder sieben Verstärker da herumstehen. Er wollte mir für morgen den Twin Reverb leihen, aber noch einen neuen Speaker einbauen, genau! Scheiße, Andrea, du blöde Sau!«
    »Wer ist das?«
    »Nichts. Niemand. Lassen Sie mich dort beim Bahnhof raus, bitte.«
    »Aber ich kann Sie fahren.«
    »Nein. Lassen Sie mich raus.«
    »Aber … wie heißt der Song, den Sie morgen präsentieren werden?«
    »Was? Wen interessiert das jetzt noch?«
    »Mich. Ich sagte Ihnen ja, dass ich Ihretwegen hier bin.«
    »Aber es wird kein Konzert geben. Snake ist tot!«
    »Hören Sie, ich habe herausgefunden, wer diese Bomben in Wien herstellt. Ich habe Name und Adresse, wenn Sie das interessiert.«
    »Was? Sagen Sie, was wollen Sie überhaupt von mir?«
    »Nichts. Ich dachte,
Sie
wollen möglicherweise etwas von
mir

    »Leck mich.«
    »Wie Sie wollen. Hier ist meine Karte, Sie können mich jederzeit anrufen. Schönen Tag noch, Herr Fink.«
    Arschloch!
    Snake hat mir gestern etwas von sich erzählt. Dieselbe Geschichte hatte er auch letzte Woche im Fiesta erzählt, aber ich habe ihn nicht unterbrochen, obwohl ich das Gefühl hatte, er sagt mir da einen auswendig gelernten Text auf. Soziales Interagieren war eben nicht sein Ding. Er hatte die Geschichte bei seinem Gig auch nur angedeutet. Gestern ist er deutlicher geworden. Ich werde sie euch trotzdem nicht erzählen. Er hat sie nur
mir
erzählt, versteht ihr? Aber soviel kann ich euch sagen: Alles in diesem scheiß Leben hat einen Grund. Und so was wie Zufall, Glück oder Pech könnt ihr euch in die Haare schmieren. Jeder ist, was er ist, weil irgendwann irgendetwas passiert ist, das nicht passieren hätte müssen. Das irgendjemand vielleicht sogar verhindern hätte können.
    Snake war in Ordnung. Er war ein Freak, na und? Er war ein Opfer dieser idiotischen Welt. Und er hat letzte Woche noch etwas anderes gesagt, das jetzt vielleicht passt. Ich hoffe,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher