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Collins, Suzanne

Collins, Suzanne

Titel: Collins, Suzanne
Autoren: Flammender Zorn (Die Tribute von Panem Bd 3)
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Suzanne Collins
     
    Die Tribute von PANEM
    Flammender Zorn
     
    Deutsch von Sylke Hachmeister und Peter Klöss
     
     
    Teil 1
    Die Asche
     
    1
     
    Ich stehe da und schaue zu, wie sich eine dünne
Ascheschicht auf meine abgetragenen Lederschuhe legt. Hier war das Bett, das
ich früher einmal mit meiner Schwester Prim geteilt habe. Da drüben stand der
Küchentisch. Die Ziegel des Kamins, der eingestürzt ist und nun als verkohlter
Haufen daliegt, dienen mir als Orientierung im Haus. Wie sollte ich mich sonst
in dieser grauen Wüste zurechtfinden?
    Von Distrikt 12 ist praktisch nichts mehr übrig. Vor einem
Monat haben die Brandbomben des Kapitols die armseligen Häuser der
Minenarbeiter im Saum ausradiert, die Geschäfte in der Stadt, selbst das
Gerichtsgebäude. Nur das Dorf der Sieger blieb von der Vernichtung verschont.
Warum, weiß ich nicht. Vielleicht, damit es als Unterkunft für den einen oder
anderen dient, der vom Kapitol hergeschickt wird. Ein einsamer TV-Reporter zum
Beispiel. Oder eine Expertengruppe, die den Zustand der Kohleminen beurteilen
soll. Ein Trupp Friedenswächter, der nach heimkehrenden Flüchtlingen sucht.
    Doch niemand ist zurückgekommen, außer mir. Und das auch
nur kurz. Die Regierenden von Distrikt 13 waren dagegen, dass ich noch mal herkomme.
Sie sahen darin ein kostspieliges und sinnloses Wagnis, denn mindestens ein
Dutzend unsichtbare Hovercrafts schwirren zu meinem Schutz über mir, und neue
Erkenntnisse sind nicht zu erwarten. Aber ich musste es einfach sehen. So sehr,
dass ich das zur Bedingung dafür gemacht habe, bei ihren Plänen mitzuwirken.
    Schließlich gab Plutarch Heavensbee, der Oberste Spielmacher,
der die Rebellenorganisation im Kapitol angeführt hat, sich geschlagen: »Lasst
sie doch hinfahren. Lieber einen Tag verlieren als noch einen Monat. Vielleicht
braucht sie die kleine Tour nach 12 einfach, um sich davon zu überzeugen, dass
wir auf derselben Seite stehen.«
    Dieselbe Seite. Ein stechender Schmerz durchzuckt meine
linke Schläfe, ich presse die Hand dagegen. Es ist die Stelle, wo Johanna Mason
mich mit der Drahtrolle getroffen hat. Die Erinnerungen verschwimmen, während
ich versuche herauszufinden, was wahr ist und was falsch. Welche Abfolge von
Ereignissen hat dazu geführt, dass ich hier in den Ruinen meiner Heimatstadt stehe?
Keine leichte Frage, denn die Gehirnerschütterung klingt noch immer nach, und
noch immer neigen meine Gedanken dazu, durcheinanderzugeraten. Und die Medikamente,
die sie mir geben, um Schmerzen und Stimmung zu regulieren, führen manchmal
dazu, dass ich Dinge sehe. Glaube ich wenigstens. So ganz bin ich immer noch
nicht davon überzeugt, dass es eine Halluzination war, als sich der Boden der
Krankenstation neulich nachts in einen Teppich aus sich windenden Schlangen
verwandelte.
    Ich wende die Technik an, die einer der Arzte mir
empfohlen hat. Ich fange mit den einfachen Dingen an, von denen ich weiß, dass
sie wahr sind, und arbeite mich dann zu den komplizierten vor. In meinem Kopf
gehe ich die Liste durch ...
    Ich heiße Katniss Everdeen. Ich bin siebzehn Jahre alt.
Meine Heimat ist Distrikt 12. Ich war in den Hunger spielen. Ich bin geflohen.
Das Kapitol hasst mich. Peeta wurde gefangen genommen. Man geht davon aus,
dass er tot ist. Höchstwahrscheinlich ist er tot. Es wäre für alle das Beste,
wenn er tot ist...
    »Katniss. Soll ich zu dir runterkommen?« Durch das Headset,
auf dem die Rebellen bestanden haben, dringt Gales Stimme zu mir. Gale ist mein
bester Freund. Er sitzt oben in einem Hovercraft und wacht über mich, bereit
zum Sturzflug, falls irgendwas nicht stimmen sollte. Erst jetzt merke ich,
dass ich auf dem Boden kauere, Ellbogen auf den Oberschenkeln, Kopf zwischen
den Händen. Vielleicht sehe ich so aus, als ob ich gleich zusammenbreche. Aber
das darf ich nicht. Nicht jetzt, da sie endlich die Medikamente absetzen
wollen.
    Ich richte mich auf. »Nein. Mir geht's gut«, sage ich. Zur
Bekräftigung kehre ich meinem alten Haus den Rücken zu und gehe in Richtung
Stadt. Gale wollte zusammen mit mir in Distrikt 12 abgesetzt werden, aber als
ich seine Gesellschaft ablehnte, hat er nicht weiter darauf bestanden. Er
versteht, dass ich heute niemanden in meiner Nähe haben möchte. Nicht mal ihn.
Manche Wege muss man allein gehen.
    Der Sommer war glühend heiß und knochentrocken. Die
Aschehaufen, die der Angriff hinterlassen hat, blieben nahezu unberührt von
Regentropfen. Meine Schritte lassen sie einstürzen und an
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