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Bye Bye, Crazy Chick

Bye Bye, Crazy Chick

Titel: Bye Bye, Crazy Chick
Autoren: Joe Schreiber
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Eins
    Erläutern Sie, inwiefern Ihre Erfahrungen als Jugendlicher grundlegend anders waren als die Ihrer Freunde. Führen Sie Beispiele an.
    University of Puget Sound
     
    Gobi war auf dem Mist meiner Mutter gewachsen.
    Nicht, dass ich ihr die Schuld an der Sache geben würde. Niemand konnte etwas für das, was später passiert ist. Ich bin eigentlich kein Spezialist für Schuldgefühle, aber es ist schon erstaunlich, wie auf einmal alle mit dem Finger zeigen und jemand anderem die Schuld in die Schuhe schieben wollen, sobald Blut fließt – du bist schuld, nein du, und der Typ da an der Ecke, der garantiert auch.
    Eigentlich müsste man Gobi selbst für alles verantwortlich machen. Doch das wäre so, als würde man Gott die Schuld daran geben, dass es regnet. Oder an dem Erdbeben in irgendeinem Dritte-Welt-Land, in dem die Hälfte der Häuser noch aus Lehm gebaut ist. Es ist passiert, und damit fertig. Menschen sind wie die verkorksten Kinder von Alkoholikern. Hinterher, wenn alles in die Brüche gegangen ist, versuchen sie, die Scherben einzusammeln und einen Grund für die ganze Katastrophe zu finden. Man könnte behaupten, dass es uns als Spezies interessant macht. Vielleicht finden das irgendwelche Außerirdischen, die uns aus einer Million Meilen Entfernungbeobachten. Aus meiner Sicht jedenfalls kommt es mir nur jämmerlich und traurig vor.
    Na, jedenfalls fing alles damit an, dass die Familie meiner Mutter ganz früher, als Mom in meinem Alter war, mal eine Austauschschülerin aus Deutschland hatte. Alle verstanden sich wunderbar mit ihr und meine Mutter hat ihr Leben lang den Kontakt zu der Frau gehalten, die heute als Familientherapeutin in der Nähe von Berlin lebt. Meine Eltern haben sie jedes Mal besucht, wenn sie nach Europa geflogen sind, und ich glaube, sie amüsierten sich immer prächtig, lachten, rissen Witze und erzählten von früher. Und als ich in die letzte Klasse der Highschool kam, hatte Mom die glorreiche Idee, dass es eine kulturelle Bereicherung für unsere Familie wäre, wenn wir auch eine Austauschschülerin hätten. Dad hatte wie üblich keine Meinung dazu und sagte einfach Ja. Offen gesagt weiß ich nicht mal, ob er überhaupt zugehört hat.
    So kam Gobi zu uns.
    ***
    Gobija Zaksauskas.
    Mom ließ uns zwanzig Mal ihren Namen schreiben. Außerdem sahen wir auf einer litauischen Website nach, wie man ihn ausspricht, damit wir auch ja keinen Fehler machten. Aber wahrscheinlich war ihr das sowieso egal. Als wir sie vor dem Internationalen Terminal am New Yorker Flughafen JFK abholten, sagte sie nur: »Nennt mich Gobi.« Was wir taten. Damit hatte sich die Sache.
    Bei uns zu Hause bekam sie das Gästezimmer am Ende vom Flur, mit eigenem Badezimmer, dazu einen eigenen Laptop,damit sie mit ihrer Familie zu Hause skypen konnte. Mein Zimmer war neben ihrem. Und wenn ich spätabends dasaß und irgendwelche Begriffe für den Hochschulzugangstest auswendig lernte oder mir über einer Collegebewerbung den Kopf zerbrach, hörte ich ihre Stimme durch die Wand. Sie redete in leisen, konsonantengeladenen Eruptionen mit ihren Verwandten auf der anderen Seite der Welt.
    Zumindest glaubte ich das.
    Man kann zu jeder x-beliebigen Gruppe von Jungs über fünfzehn das Wort ›Austauschschülerin‹ sagen und wird immer exakt denselben Blick ernten – als ob alle Köter einer Meute im gleichen Augenblick den köstlichen Duft eines frischen Hundekuchens erschnüffeln, der alle ihre Gelüste erfüllen oder sie zumindest mit exotischen Freuden verwöhnen wird. Vor Gobis Ankunft hatte ich jedenfalls mit Chow und den anderen Jungs genug Witze darüber gerissen. Wir stellten uns eine schicke, mediterrane Löwin mit Schlafzimmerblick, dicken Lippen, Kurven wie ein italienischer Rennwagen und Beinen wie ein Badeanzug-Model vor, die mich in die Geheimnisse der Weiblichkeit einweihen würde, bevor ich zum Studieren wegging.
    Heute finde ich das nicht mal mehr lustig.
    Gobi war kaum größer als meine kleine Schwester und hatte fettige braune Haare, die sie immer zu einem dicken Knoten am Hinterkopf hochsteckte. Trotzdem standen sie an den Seiten beharrlich steif und glänzend wie Pinguinflossen weiter ab. Ihr Gesicht verschwand weitestgehend hinter einer riesigen schwarzen Hornbrille. Die Brillengläser waren so dick, dass ihre Augen dahinter farblos verschwammen wie zwei Amöben unterm Mikroskop. Sie hatte eine teigige Hautfarbe wie Kartoffelbrei aus der Tüte, so bleich, dass selbst der kleinste Pickelgemein und
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