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Bye Bye, Crazy Chick

Bye Bye, Crazy Chick

Titel: Bye Bye, Crazy Chick
Autoren: Joe Schreiber
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rot darauf glühte. Ein einziges Mal bot meine zwölfjährige Schwester Annie ihr ein paar Schminktipps an, doch Gobis Reaktion war so peinlich, dass wir alle so taten, als wäre es nie geschehen.
    Mit dem Gesichtsausdruck, den sie ständig zur Schau trug – eine Mischung aus überraschtem Zögern und betretener Verwirrung –, hätte sie in vielen Highschools sicher sofort eine Zielscheibe für Spott aller Art abgegeben. Aber auf den Gängen der Upper Thayer Highschool wurde sie damit quasi unsichtbar, ein Schatten, der sich immer mit einem Stoß Bücher vor der Brust irgendwo in Nähe der Spinde herumdrückte. Kleidungstechnisch war sie vor allem mit dicken Wollpullis, kittelähnlichen Oberteilen und sackartigen braunen Röcken bis unters Knie ausgestattet, die jede Art von Körper, die darunter eventuell versteckt war, komplett verschwinden ließen. Sie trug keinerlei Schmuck außer einem Silberkettchen, an dem ein Anhänger in Form eines halben Herzens hing. Abends setzte sie sich mit uns zusammen an den Esstisch, klapperte mit dem Besteck und beteiligte sich mit ihrem leisen, förmlichen Englisch so weit am Gespräch, wie es die Höflichkeit erforderte. Sie beantwortete Moms Fragen zu dem, was gerade so anlag, bis wir alle endlich wieder in unsere getrennten Leben flüchten konnten.
    Außerdem war sie Epileptikerin.
    Das fanden wir sechs Wochen nach ihrer Ankunft heraus, als sie einen kleinen Anfall in der Schulkantine hatte und ohnmächtig in ihr Tablett mit Hacksteak und Kartoffelbrei kippte. Ich saß auf der anderen Seite der Cafeteria, als ich das Geschrei hörte – Susan Monahan war davon überzeugt, Gobi sei tot. Als sie im Erste-Hilfe-Raum wieder zu sich kam, erklärte sie, wasmit ihr los war. Auf die Frage meiner Eltern, warum Gobi uns nichts von ihrer Krankheit gesagt hatte, zuckte sie nur mit den Achseln. »Ich hab es unter Kontrolle«, war ihr einziger Kommentar.
    Das stimmte allerdings nicht wirklich, da sie danach noch mindestens ein Dutzend ähnliche Anfälle hatte – sie schienen irgendwie mit Stress zusammenzuhängen. Dann traten sie nämlich gehäuft auf. Wir konnten nie sicher sein, dass nicht jeden Moment der nächste Anfall käme. Sie durfte kein Auto fahren. Einmal fand ich sie am Esstisch, wie sie kerzengerade und mit halb geschlossenen Augen dasaß und vor sich hinstarrte. Als ich sie an der Schulter berührte, reagierte sie nicht.
    Trotz alledem oder vielleicht deswegen lächelte ich sie immer an und sagte Hallo, wenn ich sie in der Schule auf dem Gang traf. Ich half ihr bei den Hausaufgaben in englischer Literatur und machte praktisch ihre ganze PowerPoint-Präsentation über die New Yorker Börse für sie, und zwar an dem Morgen, an dem sie fällig war. Trotzdem schaute sie immer weg, sobald sie mich kommen sah, als wüsste sie, wie viel Schwachsinn ich mir ständig ihretwegen anhören musste. Nicht von meinen Freunden natürlich. Sondern von Supermega-Losern wie Dean Whittaker und Shep Monroe, echten Arschlöchern aus reichen Familien, deren Väter für Riesenfirmen arbeiteten und wie die Haie in den eisigen Gewässern der internationalen Bankenwelt nach dem nächsten Mahl Ausschau hielten. Mir machte das nichts aus. Die Typen, mit denen ich zusammen war oder Musik machte – die Jungs aus unserer Band Inchworm und ein, zwei echte Kumpels, die mir nicht den Rücken zugekehrt hatten, als Dad mich zum Austritt aus dem Schwimmteam zwang, um im Debattierclub und bei Forensik mitzumachen –,schienen mich zu verstehen oder wenigstens zu bemitleiden. »Arschkarte gezogen, Stormaire, mach dir nichts draus.«
    »Ja, was soll’s«, zuckte ich die Achseln, »könnte schlimmer sein.«
    Und das wurde es.
    Als meine Mom mich bat, mit Gobi zum Abschlussball zu gehen.

Zwei
    Welches Ihrer Familienmitglieder hat Sie in der Entwicklung Ihrer Identität am meisten geprägt?
    Dartmouth College
     
    Bis zum Abschlussball waren es noch zwei Wochen und ich hatte keine Eintrittskarten. Das war meine erste Ausrede. Aber Mom meinte, darum hätte sie sich schon gekümmert. Irgendwelche Freundinnen von ihr waren bei der Organisation dabei und hatten natürlich noch ein paar Restkarten in der Hinterhand.
    Ich war nicht direkt der Abschlussball-Typ. Das war keiner von uns, außer Chow, dessen Freundin ihm ziemlich deutlich mitgeteilt hatte, dass Schluss sei, wenn er nicht mit ihr zum Ball gehen würde. Von uns bekam er deswegen natürlich gnadenlos eins auf die Mütze. Aber insgeheim schien Chow die viele
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