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Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball

Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball

Titel: Hardball - Paretsky, S: Hardball - Hardball
Autoren: Sara Paretsky
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1
    Der Zorn des Anaconda-Chefs
    Johnny Merton spielte mit mir, und wir wussten es beide. Für ihn war das ein netter Spaß. Er musste eine Ewigkeit für Vergehen absitzen, die von Mord und räuberischer Erpressung bis zum Missbrauch der Justiz reichten. Er hatte eine Menge Zeit zur Verfügung.
    Wir saßen im Besprechungszimmer für Rechtsanwälte und ihre Klienten im Hochsicherheitsgefängnis von Stateville. Ich glaube nicht, dass Johnny mit mir redete, weil er hoffte, ich könnte ihn vielleicht früher rauskriegen. Es war viel zu lange her, dass ich als Strafverteidigerin gearbeitet hatte, und ich konnte wohl keinem Strafgefangenem helfen. Geschweige denn einem Mann, der mehrere Staranwälte gleichzeitig gebraucht hätte, die rund um die Uhr für ihn arbeiteten, ehe er auch nur den Hauch einer Chance gehabt hätte, fünf Minuten früher entlassen zu werden.
    »Ich möchte, dass sich das Innocence Project um mich kümmert, Warshawski«, erklärte er mir.
    »Und in welcher Sache genau sind Sie unschuldig?«, fragte ich, während ich so tat, als machte ich mir Notizen.
    »In allen Punkten, derer man mich beschuldigt.« Er grinste, um mich zu überzeugen, dass er nur Spaß machte, aber ich lächelte nicht zurück. Was immer er sein mochte, ein Clown war Johnny Merton bestimmt nicht.
    Er war inzwischen schon über sechzig. Während meiner kurzen Zeit beim Public Defender’s Office war ich mal seine Pflichtverteidigerin gewesen. Damals war er ein zorniger Mann. Seine Wut darüber, dass man ihm bloß eine junge, unerfahrene Anwältin zugeteilt hatte, war so groß, dass man es bei den Besprechungen in der Haftzelle kaum mit ihm aushalten konnte. Seinen Spitznamen »The Hammer« hatte er sich damit verdient, dass er jederzeit zuschlagen konnte. Seine Wutausbrüche waren berüchtigt. In den dazwischen liegenden fünfundzwanzig Jahren, von denen er nicht wenige hinter Gittern verbracht hatte, war er nicht viel milder geworden, aber er konnte jetzt mit dem System besser umgehen.
    »Verglichen mit Ihnen«, sagte ich, »habe ich nur ganz kleine Wünsche: Lamont Gadsden.«
    »Wissen Sie, Warshawski, das Leben im Zuchthaus nimmt einem so vieles, und eins der Dinge, die ich verloren habe, ist mein Gedächtnis. Der Name sagt mir überhaupt nichts.« Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. Die mächtigen Schlangen, die von seinen Oberarmen herabkrochen, schienen sich auf seiner dunklen Haut zu bewegen. Ihre Köpfe ruhten auf seinen Handgelenken.
    »Es heißt aber, Sie wüssten, wo jedes heutige und frühere Mitglied der Anacondas sich aufhält. Einschließlich ihrer letzten Ruhestätte, wenn sie nicht mehr unter uns weilen.«
    »Die Leute übertreiben doch immer, Warshawski, nicht wahr? Besonders wenn sie mit einem Polizisten oder einem Staatsanwalt reden.«
    »Ich suche Lamont Gadsden nicht, um was für meine Gesundheit zu tun, Johnny. Seine Mutter und seine Tante wollen ihn finden, ehe sie sterben. Obwohl er sich mit Ihnen herumgetrieben hat, Johnny, denkt seine Tante immer noch, er wäre ein braver, christlicher Junge.«
    »Ja, ich muss jedes Mal weinen, wenn Sie über Miss Claudia reden. Natürlich nur, wenn ich allein bin und mich niemand sieht. Man kann es sich im Knast nicht leisten, dass einen die Leute für rührselig halten.«
    »Ich glaube nicht, dass Ihr weiches Herz Sie ins Unglück stürzt«, sagte ich. »Erinnern Sie sich an Schwester Frances?«
    »Ich habe von ihr gehört, Warshawski. Also, das war wirklich eine fromme, christliche Frau. Ich habe gehört, Sie sind bei ihr gewesen, als Jesus sie zu sich geholt hat?«
    »Sie hören ja wirklich eine ganze Menge.« Ich legte gerade das richtige Maß an Bewunderung in das Kompliment, und Johnny war sichtlich zufrieden. Aber leider blieb er stumm.
    »Wollen Sie gar nicht wissen, was sie zu mir gesagt hat, ehe sie starb?«, fragte ich.
    »Wenn jemand tot ist, kann man alles Mögliche behaupten. Ein netter Versuch, aber ich werde nicht anbeißen.«
    »Und was ist mit den Lebenden? Wollen Sie wissen, was Ihre Tochter über Sie sagt?«
    »Sie haben mit meiner Tochter geredet?« Das war ihm neu, und eine heiße Welle der Wut überrollte ihn. Die Venen an seinem Hals schwollen an. »Sie belästigen meine Familie und erzählen mir das auch noch ganz dreist?«, brüllte er. »Kommen Sie meiner Kleinen bloß nicht zu nah! Sie führt ein Leben, auf das jeder Vater stolz sein könnte, und ich werde nicht zulassen, dass solcher Abschaum wie Sie meine Tochter zu Fall bringt.
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