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Zaster und Desaster

Zaster und Desaster

Titel: Zaster und Desaster
Autoren: René Zeyer
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zurückgeschickt, und jetzt liegt der Schrott schon wieder auf meinem Schreibtisch und wandert diesmal direkt in den Rundordner. Wenn ich mich in meinem Schreiben nicht klar genug ausgedrückt haben sollte: Kein Bedarf, überhaupt keinen, jetzt nicht, morgen nicht, nächste Woche nicht, nächsten Monat auch nicht.«
    Zeit für Plan C, dachte Kuhn, die zwei Monate Lohnfortzahlung sind rum, meine rund 6000 Franken Fixkosten und meine schon arg runtergeschraubten 5000 Franken variable Kosten müssen ja finanziert sein, also bleibt doch tatsächlich nur der Gang zum Arbeitsamt. Dort hatte der Sachbearbeiter leicht genervt aufgeblickt, als ihm Kuhn eröffnete, dass er als unterste Limite für sein Einstiegsgehalt 200000 sehe, allerhöchstens im ersten Jahr ohne Bonus. »Warum haben Sie sich nicht gleich nach Ihrer Entlassung angemeldet«, fragte ihn dann der Sachbearbeiter, »da muss ich Ihnen einen Monat Karenzfrist bis zur ersten Auszahlung auferlegen.«
    Kuhn hatte versucht, das wie ein Mann wegzustecken, und erwiderte cool: »Okay, no problem, und wie viel ist das dann?«
    »Sie bekommen den Maximalbetrag von 7000 Franken.« Kuhn begann zu transpirieren, eilte nach Hause und goss sich einen Glenfiddich in das Wasserglas ein, jedenfalls den letzten Rest, der noch in der Flasche war. Wenn die Miete und alle Leasings von seinem Konto abgebucht waren, verfügte Kuhn noch über ein Kapital von haargenau 347 Franken, mit dem er einen Monat überleben sollte. Er goss den Whisky in sich rein und spürte, wie Panik sich mit eiskalten Fingern seine Wirbelsäule hochtastete und sein Magen sich in einen schmerzenden Knoten verwandelte. Das kann doch nicht das Ende sein, dachte er.

Vier
    Kuster schaute matt auf den Tagesterminkalender. »Update Anlage empfehlungen«, da würde er Müller, die Pfeife, hinschicken, das einzig Wichtige an diesem Blabla war ja nur die strikt vertrauliche Liste, für welches Gebastel es am meisten Kommission gab, plus die Budgetvorgaben. Langweiliger Routinekram. Nach acht Jahren Private Banking hatte Kuster zwar immer noch nicht kapiert, wie ein Hedgefonds eigentlich funktionierte, und er hatte den dumpfen Verdacht, dass das nicht mal die Fondsmechaniker selbst wussten, von denen seine Kreditunion das Zeugs einkaufte oder speziell für den Eigengebrauch zusammenschrauben ließ. Aber seine Budgetvorgaben und Kommissionen, das hatte Kuster im Griff. Genauso wie seine Kunden, langsam war das wirklich zum Gähnen.
    Kuster überlegte gerade, ob er nicht besser auch diesen Arbeitstag schon um 10 Uhr beenden wollte, als es plötzlich bimmelte und ein neuer Eintrag erschien: »Meeting Franz Bürgisser, 10.30 h, high priority, not to be changed, to be confirmed asap.« Wieso wir als Schweizer Großbank nicht mal in der Lage sind, ein deutsches Terminprogramm zu verwenden, dachte Kuster, was will denn der CEO von mir? Das wusste man bei Bürgisser nie, manchmal schien der sich einfach zu langweilen, und nach einer halben Stunde bei Kaffee, Mineral und Friandise durfte man das Chefbüro wieder verlassen, und Bürgisser war so trocken und humorlos, dass er das letzte Mal Kusters freche Abschiedsbemerkung, »schön, dass wir drüber geredet haben«, nicht mal als Scherz erkannte. Wird ja wieder furchtbar wichtig sein, dachte Kuster und drückte auf den Bestätigungsknopf.
    Dann drückte er auf die Durchwahltaste zu Müller: »Irgendwas vom Flurfunk gehört? Soll um 10.30 h beim Chef vortanzen.«
    Müller meinte: »Wenn Sie schon fragen, also hier sprechen alle über eine mögliche Entlassungswelle, von den fünfhundert Mitarbeitern hier am Hauptsitz sollen mehr als hundert rausgestellt werden.« Kuster kicherte in sich hinein, das hatte er auch schon gehört, aber er als einer der drei besten Verkäufer mit ständiger Planübererfüllung, das ging ihn sicherlich nichts an, und einen Assistenten brauchte er garantiert auch, wer würde sonst seinen Terminplan im Griff haben, die ganzen Kunden abwimmeln, die Kuster mit irgendwelchem Kleinscheiß belästigen wollten, von den Reservationen in ausgewählten Lokalen und Hotels ganz zu schweigen.
    »Na ja«, sagte Kuster, »wenn das so ist, dann werden Sie es sicherlich als Zweiter erfahren, Kopf hoch.«
    Kuster klickte sich noch ein Weilchen durch die Monatsprogramme vom Rotary, Lion’s, Kiwanis und der drei Fressclubs und zwei Weinhandlungen, deren Mitglied er zwecks Kundengenerierung war, aber bevor er sich zur Offiziersgesellschaft, dem Yachtclub und den Alumni der
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