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Zaster und Desaster

Zaster und Desaster

Titel: Zaster und Desaster
Autoren: René Zeyer
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im St. Regis auf Bora Bora zugelegt hatte. Zwei Wochen Luxusbungalow auf einer Privatinsel, vom Bett konnte man direkt ins Meer hopsen, Entspannung pur, das hatte er nach den etwas turbulenten Zeiten des vergangenen Jahres auch dringend nötig gehabt. Und die Woche davor im weihnachtlichen St. Moritz, nun, da hatten die Russkis zwar immer noch mit Kaviarbüchsen um sich geschmissen und literweise Champagner in platinblonde Nutten reingeschüttet, aber Neuanlagen waren nur ganz zäh hereingetröpfelt. Dabei hatte Kuster dort in besseren Zeiten in einer Woche locker 20 Tonnen geholt, schon die Hälfte seiner Jahresvorgabe an neuen Kundengeldern.
    Kuster seufzte. Und jetzt dieses Gezeter über Boni-Banker, dachte er, denkt denn niemand mehr daran, wie schwer ich dafür arbeiten muss, damit ich mich auch dieses Jahr wieder auf Bora Bora entspannen kann?
    Kuster schaute auf seine goldene Patek Philippe und seufzte. Ist doch eine Schande, dass das mechanische Wunderwerk so genau die Zeit angibt, tickt halt genauso exakt und zuverlässig wie wir Schweizer Private Banker. Noch drei Minuten genau, dann muss ich mal wieder zeigen, dass ich nicht nur mein Grundgehalt, sondern auch meinen Bonus wert bin. Er zerrte sich sein verbindliches Kundenlächeln ins Gesicht, knöpfte sein Brioni-Jackett in dezentem Bankergrau zu und machte sich auf den Weg.
    »Frau Wehrli, schön, Sie zu sehen«, sagte Kuster und steigerte dabei seine Phonstärke gewaltig, denn Frau Wehrli war nicht nur halb blind, sondern auch schwerhörig. Galant rückte er ihr den Stuhl zurecht. Kuster hatte extra das Besprechungszimmer für HNWI-Kunden reserviert, schwerer Eichentisch, gediegenes Holzgetäfer an der Wand, dezente Kunst aus dem Fundus der Kreditunion drangehängt, zwar kein Anker oder Hodler, aber idyllische Alpwiesen mit urchigen Bauern. Dabei war Frau Wehrli gar kein High Net Worth Individual mitihren bescheidenen fünf Mio im Depot, und viel von ihrer Umgebung kriegte sie auch nicht mehr mit, aber diesen Extraservice meinte ihr Kuster schuldig zu sein, ganz der verbindliche Schweizer Private Banker, solide, seriös, Swiss fine Banking at its Best, wie Kuster gerne zu sich selbst sagte.
    »Sehr freundlich von Ihnen«, mümmelte Frau Wehrli, während sie das Stützli-Schokolädli zerbiss, das ihr Kuster aufmerksam hatte reichen lassen, »Sie verwöhnen mich ja.«
    »Aber Frau Wehrli«, wehrte Kuster lautstark ab, »wenn es Ihnen gut geht, geht es mir auch gut.«
    Frau Wehrli lächelte geschmeichelt: »Nun, junger Mann, ich weiß, dass Sie Wichtigeres zu tun haben, als Ihre Zeit mit einer alten Frau zu verschwenden, ich wollte eigentlich nur wissen, wie es denn meinen 9 Millionen so geht, um die Sie sich immer so nett kümmern.« Kuster war froh, dass Frau Wehrli wahrscheinlich nicht mitbekam, wie ihm das verbindliche Bankerlächeln etwas verrutschte. »Sie wissen ja, Alphons selig sagte immer, mach dir keine Sorgen, wenn ich einmal nicht mehr bin, dann kümmert sich der Herr Kuster um dich, auf den kannst du dich immer verlassen.« Deshalb hatte Alphons selig Kuster auch eine Vermögensverwaltungsvollmacht ausgestellt, die ihn testamentarisch verfügt überlebt hatte. Also hatte Kuster die ursprünglich 7 auf 9 Millionen gesteigert und für sich und seine Bank im Verlauf der Jahre eine weitere Million an Fees, Kommissionen, Verwaltungsgebühren, Retrozessionen und Kickbacks abgegriffen. Und ein paarmal im Jahr den Besuch von Frau Wehrli über sich ergehen lassen, die sich zunehmend wackliger vom Zürichberg an die Bahnhofstrasse begeben hatte, um sich höchstpersönlich von der pfleglichen Behandlung zu überzeugen, die Kuster der Hinterlassenschaft von Alphons selig angedeihen ließ.
    Etwas die Stimmbänder strapazieren, zwei, drei Stützli-Schokolädli, dann begleitete Kusters Assistent Frau Wehrli zum Ausgang und drückte dem dort wartenden Taxifahrer einen Gutschein in die Hand, was Frau Wehrli jedes Mal besonders entzückte, weil sie nicht mitbekam, dass man ihr wieder einmal 100000 Stützli Depotgebühren abgeknipst hatte. Dafür gab’s dann auch zu jedem Geburtstag von Frau Wehrli einen Blumenstrauß mit einer handgeschriebenen Glückwunschkarte von Kuster und zu Weihnachten die Supersonderschachtel Stützli-Schokolädli mit allen besten Wünschen für die Feiertage und eine von zwanzig Lebensweisheiten, die sich Kuster von seinem Assistenten extra für besonders wichtige Kunden googeln ließ, damit das Ganze auch den personal touch kriegte,
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