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Zaster und Desaster

Zaster und Desaster

Titel: Zaster und Desaster
Autoren: René Zeyer
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Eins
    »Herr Brönnimann, womit kann ich Ihnen heute behilflich sein? Sie überlegen sich einen Wechsel der Anlagestrategie? Natürlich, Herr Brönnimann, dafür sind wir Private Banker ja da, wäre Steueroptimierung, Nachfolgeregelung, aktive Bewirtschaftung auch ein Thema für Sie?« Während Philipp Kuster am Telefon vor sich hinplauderte, rief er die Kundendaten von Brönnimann ab und wunderte sich, wieso das so schnell funktionierte. »Aber ja, Herr Brönnimann, so etwas bespricht man am besten persönlich, da haben Sie völlig recht«, raspelte Kuster weiterhin Süßholz. »Einen Moment, Herr Brönnimann, kleine Sekunde, ich muss da schnell noch etwas abklären, bin sofort wieder bei Ihnen.«
    Kuster hatte die kleine Liste von Brönnimanns Guthaben überflogen, Lohnkonto, Sparkonto, Depot-Konto, alles zusammen schlappe 450000 Franken, dann noch eine müde Hypothek auf einer Eigentumswohnung in Niederhasli, so eine verdammte Sauerei, sagte sich Kuster. Er legte Brönnimann in die Warteschlaufe und drückte auf die Direktwahl für seinen Assistenten: »Müller, Sie Riesenpfeife«, bellte er dann ins Telefon, »was fällt Ihnen eigentlich ein, diesen Brönnimann zu mir durchzustellen? Glauben Sie denn wirklich, ich kann meine Zeit mit solchen Hungerleidern verschwenden? An dem verdienen wir doch im Jahr keine 9000 Franken, und selbst dafür müssen wir sein Depot zweimal umschichten. Ich bin hier Direktor Private Banking und kein Bancomat! Was? Wollte unbedingt mit seinem persönlichen Kundenbetreuer sprechen? Überlegt sich den Ankauf von Aktien? Ja Heilandsack, da kriegt er die übliche Broschüre, da kann er dann ankreuzen, ob er konservativ oder gewinnorientiert anlegen will, und ab die Post. Was? Bestand darauf? Na und, jetzt habe ich den an der Backe, also das war Ihr letzter Fehler diese Woche, ist das klar?«
    Den Müller haue ich raus, dachte Kuster, wir müssen ja schließlich alle Opfer bringen. Dann räusperte er sich, zog eine Grimasse und lockerte sich die Krawatte. »Herr Brönnimann? Danke, dass Sie gewartet haben. Nun, wie ich schon sagte, so etwas bespricht man besser persönlich, nicht wahr? Genau. Ich nehme an, Sie sind mit unserer kleinen Gebührenordnung vertraut? Ah, sehen Sie, deswegen erwähne ich das gerne, bei Ihrer komfortablen finanziellen Ausstattung« – Kuster kniff ein Auge zusammen und öffnete den Mund zu einem lautlosen Lachen – »ist es durchaus sinnvoll, sich aktivere Möglichkeiten der Bewirtschaftung des Kapitals zu überlegen. Genau. Nun, ich muss Ihnen da allerdings offen sagen, dass dafür eine Grund-Fee von 8 Promille des investierten Kapitals oder mindestens von 8000 Franken anfällt, dazu kämen dann natürlich noch Courtage, Stempelgebühren, Auftragsabwicklung, Depotgebühren, nicht zu vergessen … Wie bitte? Sie möchten eigentlich nur ein paar Aktien in Ihr Portefeuille nehmen? Nun, eine solche aktive Bewirtschaftung, lieber Herr Brönnimann, verstehen Sie mich nicht falsch, macht nun eigentlich erst ab einem Betrag von, nun, sagen wir mal ab einem Betrag mit sechs Nullen einen Sinn, nicht wahr, denn erst dann kann durch entsprechende Hebelwirkungen ein Ertrag erzielt werden, der es erlaubt … Ja, deswegen erkläre ich Ihnen das ja, gehört doch alles zum Service im Private Banking. Ja selbstverständlich, Herr Brönnimann, ich lasse Ihnen gerne einmal entsprechende Unterlagen zusammenstellen, nein, das ist natürlich gratis, wir schreiben ja Service groß, Herr Brönnimann. Genau, das studieren Sie dann in aller Ruhe, und dann melden Sie sich wieder bei mir. Richtig, rufen Sie mich ungeniert wieder an, dafür bin ich da, denn wir schätzen Ihre Treue zu unserem Bankhaus außerordentlich. Ja, und auch Ihnen noch einen wunderschönen Tag. Wie bitte? Gerne, bei der Gelegenheit können wir uns auch die Spesen bei der Kontoführung Ihres Gehaltskontos genauer anschauen, da lässt sich sicher etwas optimieren, prima.«
    Kuster legte den Hörer auf die Gabel und schrieb ein Memo an Müller: »Wenn ich den Namen Brönnimann in diesem Jahr noch einmal höre, dann kriege ich einen Blutrausch, alles klar?«
    Dann löschte Kuster den Text und schrieb: »Schicken Sie Brönnimann unsere Standardbroschüre, B-Post. Und schreiben Sie ihm
    20 Franken Kontoführungsgebühren gut, Treuebonus. Und stellen Sie ihn nie mehr, wirklich nie mehr zu mir durch.«
    Das neue Jahr fängt ja gut an, seufzte Kuster und machte sich schon im Februar Sorgen um seine Ferienbräune, die er sich
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